[dropcap]D[/dropcap]ie Starbucks Coffee Company wird von vielen Seiten stark kritisiert. Im Vordergrund stehen dabei  Steuervermeidung und ihre heuchlerische Fair Trade Politik. Wir setzten uns in diesem Artikel aber mit einem anderen Aspekt ihres Erfolgsgeheimnisses auseinander: Der Systemgastronomie und den Arbeitsbedingungen der Lohnabhängigen.

Starbucks hat dasselbe Ziel wie alle anderen Unternehmen, nämlich möglichst viel Profit zu generieren. In der Stadt Basel existieren 5 Filialen auf sehr kleinem Raum. Je mehr Filialen auf kleinem Raum, desto schneller ist jedoch das Potenzial für die Profitgenerierung durch die Eröffnung neuer Läden ausgeschöpft. In einer bestimmten Region, oder begrenztem Raum, kann nur eine bestimmte Anzahl Kaffeehäuser profitabel geführt werden. In einer bestimmten Marktsituation lässt sich der Marktanteil schlicht nicht beliebig vergrössern. Der Verkauf von Kaffee kann sich nicht unendlich steigern. Das bedeutet: Der Markt ist begrenzt und der Profit, der letztlich mit einem neuen „Store“ generiert wird, kann nicht beliebig erhöht werden. Deshalb hat Starbucks auch ein Interesse daran, die kleinen Cafés zu verdrängen. So kann der Marktanteil zusätzlich erhöht werden.

Wenn also der Grad an Marktsättigung erreicht ist, an dem es sich schlicht nicht mehr lohnt, eine neue Filiale zu eröffnen, müssen die Profite anders gesteigert werden. Zu diesem Zweck muss der Konzern den Druck auf die einzelne Filiale, schliesslich auf die Lohnabhängigen, abwälzen.

Folgen der systematisierten Gastronomie
Das Zauberwort heisst Systematisierung der Arbeit. In einem systemgastronomischen Unternehmen wie Starbucks ist jeder Arbeitsschritt standardisiert. Diese Abläufe werden regelmässig von Experten überarbeitet, um eine noch höhere Effizienz zu gewährleisten. Im Kapital schrieb Marx:

Unter Erhöhung der Produktivkraft der Arbeit verstehen wir […] eine Veränderung im Arbeitsprozess, wodurch die zur Produktion einer Ware gesellschaftlich nötige Arbeitszeit verkürzt wird, eine kleinere Menge Arbeit also die Kraft erwirbt, eine größere Menge Gebrauchswert zu produzieren.

Ziel ist es, in kurzer Zeit massenhaft Kaffee zu produzieren. Je mehr Kaffeeprodukte in einer bestimmten Zeit zubereitet werden, desto höher ist der relative Mehrwert bei gleichbleibendem Lohn. So wird Starbucks viel konkurrenzfähiger und kann kleinere Betriebe einfach unterbieten. Die standardisierten Arbeitsschritte geben vor, wie der Produktionsverlauf vonstattengehen muss, in welcher Situation die Arbeit auf welche Art und Weise aufgeteilt wird. In der Regel stehen zwei oder drei Baristas an der Theke, die zuständig sind für Verkauf, Vorbereitung, Produktion und Putzen.

In den 30 Sekunden, die dir pro Transaktion zu Verfügung stehen, soll der Verkauf mit gezielten Fragestellungen in die Höhe getrieben werden. Wer gerne auf Kunden eingeht, hat dazu keine Zeit. Wenn es besonders viele Kunden gleichzeitig gibt, wird auch die Zubereitung des einzelnen Kaffees auf die Angestellten aufgeteilt. Zu zweit steht man an der Bar. Die erste Person bereitet das Getränk vor: die Milch abfüllen und gleichzeitig den Kaffee rauslassen. Die andere Person fügt alles zusammen, macht den Deckel drauf und raus damit. Je höher die Arbeitsteilung, desto höher die Entfremdung von der Arbeit.

Die Arbeit, schrieben Marx und Engels im Kommunistischen Manifest 1848, verliert dabei jeden Reiz und die Lohnabhängigen werden zum blossen „Zubehör der Maschine, von dem nur der einfachste, eintönigste, am leichtesten erlernbare Handgriff verlangt wird.“

Wir sehen also, dass einerseits durch den systematischen und vorbestimmten Ablauf des Arbeitstages mehr Mehrwert, also Profit aus den MitarbeiterInnen gequetscht wird und andererseits die Entfremdung von der Arbeit in sehr hohem Grad stattfindet.

Die Hierarchisierung bei Starbucks
Starbucks ist so organisiert, dass einE StoremanagerIn die gesamte Verantwortung für die Filiale trägt. Im Vergleich zu den anderen Angestellten ist der Lohn von rund 7‘500.- Fr. relativ gut. Starbucks stellt sich selbst als Unternehmen dar, das jedem die Möglichkeit bietet Karriere zu machen. Das ist jedoch eine Illusion. Denn nicht alle können StoremanagerIn werden. Allein die psychische Belastbarkeit setzt der Karriere Grenzen, es gibt Vorfälle von Burnouts unter StoremanagerInnen, welche die Angestellten zum Rücktritt zwingen. Als StoremanagerIn muss man rund um die Uhr bereitstehen für Notfälle. Von der Arbeit abzuschalten ist also nur selten möglich.

Die Illusion einer möglichen Karriere wird von Starbucks bewusst aufrechterhalten, um die Angestellten noch gefügiger zu machen. Starbucks bietet «Perspektiven» für Menschen, die eigentlich keine haben und macht so ein Riesengeschäft. Pro Bezirk stehen die Läden untereinander in Konkurrenz, ihre Erfolge werden wöchentlich verglichen. Liegen Läden zu weit hinten, bekommen die jeweiligen StoremanagerInnen Probleme mit ihren Vorgesetzten. Denn die StoremanagerInnen tragen die Verantwortung für die gesamte Filiale, also Anzahl Kunden, Umsatz, Einkauf, Verkauf von Kaffeebohnen, Brownies, Frappucinos etc.

Diesen Druck muss er/sie wiederum an die Angestellten weiterleiten. Das heisst an die SchichtleiterInnen, sie üben selbst diesen Druck auf die Baristas aus, welche ganz  unten in der Nahrungskette stehen. Das führt dazu, dass respektvolles Umgehen miteinander schwierig wird. Diese Hierarchie hat einen enorm spaltenden Charakter. JedeR muss auf sich selbst aufpassen. Es steht immer jemand hinter dir, der mit der Peitsche droht.

Trotzdem ist Teamarbeit enorm wichtig, sonst würde man den Tag nicht überstehen. Man muss darauf vertrauen können, dass alle ihre Arbeit richtig machen, pünktlich erscheinen und die anderen nicht hängen lassen. Die Hierarchie und Ersetzbarkeit der KollegInnen, und andererseits die notwendige Teamarbeit, führen einem exemplarisch die Zwitterhaftigkeit der kapitalistischen Gesellschaft vor Augen.

Die Arbeitsbedingungen als „Partner“
Im Leitbild steht:

Unsere Mitarbeiter sind unsere Partner, denn bei uns zu arbeiten, bedeutet, nicht nur einen Job zu haben, sondern eine Leidenschaft. Gemeinsam begrüssen wir Vielfalt, um ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem wir uns alle so entfalten können, wie wir sind. Respektvoller und freundlicher Umgang ist bei uns selbstverständlich.

Was uns so wunderbar präsentiert wird, entspricht in keiner Weise der Realität. Die MitarbeiterInnen oder „Partner“ stehen unter enormem Druck. Hat man eine Leidenschaft für Kaffee oder Service, wird das durch die Standardabläufe und dem hohen Grad an entfremdeter Arbeit schnell zerstört. Leitbilder tragen zu einer falschen Identifikation mit dem Betrieb bei. Es zeugt von der Heuchelei des Unternehmens, welches einen immensen, fortwährend erhöhten Druck auf die Angestellten ausübt.

9.5 Stunden Schicht plus 30 Minuten Pause sind bei Starbucks normal. Mit Stundenlohnvertrag ist der Lohn dem gesetzlichen Gastronomie-GAV unterstellt (20-22 CHF brutto). Als Barista mit Festanstellung ist der Lohn miserabel, dazu werden Überstunden nicht bezahlt.

Die Mitarbeitenden werden auch Store-übergreifend eingesetzt. Das heisst, wenn in einem anderen Laden jemand fehlt, muss man dort arbeiten gehen, auch wenn man eigentlich frei hätte. Arbeiten die Festangestellten mehr, kostet das weniger als bei den Temporären, deshalb steht man mit Festanstellung unter viel höherem Druck.

Die Arbeit in der Systemgastronomie verlangt hohe Belastbarkeit, physisch und mental. Es ist klar, dass man leicht ersetzbar ist. Das wird gerne als Druckmittel auf die MitarbeiterInnen benutzt. Hier sehen wir auch, wie effizient die angeblichen Karrieremöglichkeiten sind. MitarbeiterInnen, die ihre einzige Hoffnung in Starbucks sehen, können sich, aus Angst ihre Zukunft zu verlieren, nicht wehren.

Gastronomie frei von der kapitalistischen Produktionsweise
In der Gastronomie herrschen oft unmenschliche Bedingungen. Starköche begehen nach kleinen Fehlern Suizid, das Personal steht unter enormer Belastung und kleine Betriebe haben einen sehr hohen Grad an Selbstausbeutung, da sie mit den Grosskonzernen, welche viel mehr Kapital zur Verfügung haben, mithalten müssen.

Die Systemgastronomie bedeutet in der kapitalistischen Gesellschaft möglichst effiziente Produktion, die Generierung möglichst hoher Profite in der Gastronomie. Einerseits ist die systematische Arbeitsteilung ein Fortschritt, so kann mehr Arbeit in der gleichen Zeit erledigt werden und die Auslastung der einzelnen Personen wird geringer. Andererseits wird dieser Fortschritt durch den Druck zur Profitsteigerung wieder aufgehoben.

In einer Gesellschaft, die frei vom Profitprinzip ist, in der menschliche Arbeit in jeder Form gewürdigt wird, der Mensch und nicht der Profit im Vordergrund steht, kann diese Arbeit einen ganz anderen Charakter erhalten. Teilung der Arbeit führt zu Entfremdung von Arbeitsprodukt und -prozess. Positive Gefühle gegenüber der Arbeit wie Leidenschaften und Selbstverwirklichung in der Arbeit und im Umgang mit Menschen kommen nur selten auf. Doch ohne den Druck des Profits wäre durchaus Platz dafür: Die Spaltung unter den „Partnern“ wäre aufgehoben und es bliebe Platz für ein Bewusstsein der kollektiven Arbeit und der Teamarbeit.

Welchen Platz kann die Systemgastronomie in einer sozialistischen Gesellschaft einnehmen? Aufgrund der relativ hohen Produktivität von gastronomischen Verpflegungsorten (Restaurants wie auch Bars, Cafés, etc.), die mit geplanter Arbeitsteilung funktionieren, sollte eine zukünftige Gesellschaft nicht darauf verzichten. Effiziente Planung der Ernährung der Gesellschaft kann grossen Aufwand in privaten Haushalten ersparen und schafft so mehr Freizeit. Ebenfalls kann sie mit gesunden, guten Lebensmitteln eine wichtige Alternative zu Fast Food und Tiefkühlkost sein.

Um die Arbeit in der Systemgastronomie zu verändern, wäre ausser den erwähnten Veränderungen im Arbeitsprozess die Aufhebung der Hierarchie im Betrieb notwendig. Die Vorgesetzten müssten gewählt sein und dürften keine Privilegien gegenüber den KollegInnen haben. Auch gegenüber den KundInnen müsste ein Kontakt auf Augenhöhe bestehen. Schluss mit «Der Kunde ist König»! Arbeit soll nicht erniedrigen, sondern gewürdigt werden.

Bereits heute sind Cafés soziale Orte. Diese Funktion sollte noch gestärkt werden. Wenn dazu die Arbeitsbedingungen angemessen wären und die Schichten nicht bis zur völligen Erschöpfung dauern würden, könnte die Arbeit im Kaffeehaus erfüllend sein.
Mila Škorić