Die Londoner Polizei hat am 1. November Palästina-Aktivisten auf Twitter zur Fahndung ausgeschrieben. Darunter war Harry, ein Kommunist bei der IMT in London. Im Interview mit Lukas Nyffeler erklärt er die Hintergründe.

Wieso hat die Polizei euch an einen Internetpranger gestellt?

Es war ein rücksichtsloser Versuch, Leute einzuschüchtern und sie von den Palästina-Demonstrationen fernzuhalten. Die Polizei hat unsere Gesichter auf Twitter veröffentlicht: wir würden wegen «rassistisch motivierter Unruhestiftung, Belästigung und Bedrohung» gesucht. Die Beiträge wurden tausendfach geteilt, von Zeitungen aufgenommen und die Kommentare sind voller persönlicher Drohungen. Es ist unerhört, Leute aus rein politischen Gründen so in Gefahr zu bringen.

Warum rein politische Gründe?

Wir gingen auf die Wache, um gegen diese Einschüchterungsversuche zu protestieren. Zunächst behaupteten die Beamten, sie würden nie auf Twitter fahnden. Wir mussten ihnen die Twitter-Seite der Polizei zeigen! Nach sechs Stunden bestätigten sie uns, dass wir weder verhaftet noch angeklagt werden. Das einzige «Beweismittel» gegen uns war ein Foto auf einer Palästina-Demonstration von irgendeiner Website, die behauptet gegen Antisemitismus zu kämpfen. Es war also lediglich ein PR-Stunt der Polizei, die öffentlich zeigen will, dass sie hart gegen die Palästina-Solidarität vorgehen.

Wieso kommt die Polizei dazu?

Die konservativen Regierung macht Druck auf die Polizei, gegen Palästina-Demonstrationen vorzugehen. Die Regierung befindet sich in einer Zwickmühle: Die herrschende Klasse will die historische Unterstützung Israels fortsetzen. Diese Haltung ist innerhalb der Arbeiterklasse aber unpopulär. Die Demonstrationen gegen das Massaker in Gaza haben bis zu einer halben Million Menschen angezogen. Die Stimmung in der britischen Gesellschaft ist explosiv, das Vertrauen in Politiker und Medien ist extrem tief. Die Arbeiterklasse leidet unter Sparmassnahmen und Inflation. Die Sache der Palästinenser ist zu einem Katalysator für den angestauten Ärger geworden.

Wie haben sich die britischen Kommunisten positioniert?

Wir gehören zu den lautesten Stimmen an den Universitäten und haben dringliche Demonstrationen organisiert. An den Massen-Mobilisierungen fallen wir auf mit den Slogans «Intifada bis zum Sieg» und «One solution: Revolution». Wir betonen, dass auch die britischen Politiker und die UNO Blut an den Händen haben. Viele unserer neuesten Genossen haben Initiativen ergriffen, Verantwortung übernommen und spontane Reden gehalten. In den Studierenden- und anderen Gewerkschaften kämpfen wir für dringliche Solidaritätsresolutionen. Dafür wurden wir angegriffen.

Inwiefern angegriffen?

Vor drei Wochen hat ein rechtes Schmierblatt, der Telegraph, unsere Studierenden-Vereine attackiert und verleumdet, um uns zum Schweigen zu bringen. Nach so einem Artikel hacken sofort alle Zeitungen auf dir rum. Die meisten Studierenden-Gewerkschaften wollen «neutral» bleiben und unsere Veranstaltungen in Solidarität mit Palästina verhindern. Einige marxistische Vereine, zum Beispiel am University College London, wurden verboten, weil wir uns weigerten, die «Intifada bis zum Sieg»-Poster abzunehmen. 

Wir lassen uns aber nicht einschüchtern, wehren uns politisch und haben Demonstrationen dagegen organisiert. Dabei haben wir gute Rückmeldungen erhalten. Ein verbotener Verein, eine zensierte Position weckt zusätzliches Interesse. 

Wie reagieren die Leute auf der Strasse auf unsere Slogans?

Sehr gut! Viele haben den «Krieg gegen den Terror» (nach den Anschlägen vom 11. September 2001, Anm.d.Red.) miterlebt und gesehen, wie westliche Regierungen unter «demokratischen» Vorwänden im Nahen Osten militärisch interveniert und Hölle auf Erden geschaffen haben. Sie glauben nicht, dass die britische herrschende Klasse eine positive Rolle in diesem Konflikt spielen kann. 

Wir verbinden die Intifada, den Massenaufstand in Palästina, mit dem Kampf gegen die herrschende Klasse hier in Grossbritannien. Viele Demonstranten schöpfen Hoffnung aus der Perspektive, hier eine Arbeiterregierung zu erkämpfen mit einer internationalistischen Aussenpolitik. Das ist die beste Unterstützung, die wir den Palästinensern im Moment liefern können. Die wichtigste Aufgabe ist also der Kampf für eine Revolution.