Die Geschichte der 16-jährigen Malala Yousafzai ging um die Welt, als die politische Aktivistin für freie Bildung und Mädchenrechte aus Pakistan im Oktober 2012 durch eine Terrorattacke der Taliban schwer verletzt wurde.

MalalaDen Terroristen war ihr Kampf für eine bessere Welt ein Dorn im Auge. Sie überfielen ihren Schulbus, verletzten mehrere Mädchen und versuchten Malala mit einem gezielten Kopfschuss zu ermorden. Dank unverzüglicher Behandlung, zunächst in Pakistan und dann in einem Krankenhaus in Grossbritannien, überlebte das Mädchen. Mit grossem Eifer bemühten sich sofort sämtliche wichtige Persönlichkeiten und grosse Medien umd ie Verbreitung des bewegenden Schicksals Malalas. Dabei ist die Berichterstattung sehr darauf bedacht, die Konflikte und Probleme in Pakistan, gegen die Malala kämpfte, in ein ganz bestimmtes Licht zu rücken. “Ein Mädchen gegen Terrorismus” ist eine Story, die auch die herrschende Klasse gerne vermarktet. So erhielt sie eine Reihe von Auszeichnungen, wird vom Time Magazine zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt gezählt und wurde heuer sogar für den Friedensnobelpreis nominiert. Nach ihrer Rede vor den Vereinten Nationen wurde der 13. Juli als “Malala Tag” für freie Bildung ausgerufen. Die Ursachen des Terrorismus in Pakistan, die Rolle westlicher Grossmächte in der Vergangenheit und Gegenwart des Landes, sowie Malalas politische Aktivität selbst haben in dieser öffentlichen Darstellung aber keinen Platz.

Nicht ohne Ironie würde man sonst die Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass Obama in persona seine Bewunderung für das tapfere Mädchen überbringen möchte, und dass auch das englische Königshaus sie einlädt, sich lockere Scherze vom Prinzen anzuhören.

Die britische Kolonialmacht, die über 200 Jahre den indischen Subkontinent kontrollierte, teilte 1947 Indien und Pakistan trotz seiner gemeinsamen Geschichte und Kultur gewaltsam in zwei Nationalstaaten auf. Die Queen, die heute Malala lächelnd in Empfang nimmt, steht für ein Regime, das eine Reihe von blutigen Kriegen gegen die Paschtunen, zu denn auch Malalas Familie zählt, geführt hat.

Seit Pakistans “Unabhängigkeit” hat es die Bourgeoisie nicht geschafft, eine funktionierende Infrastruktur und Industrie aufzubauen. Die Quelle des Reichtums der herrschendne Klasse und Bürokratie speist sich aus Korruption und dem Schwarzmarkt, der etwa 70% der Wirtschaft ausmacht. Bei immer weiter steigenden Militärausgaben, Schuldenrückzahlungen und vom IWF erzwungenen Privatisierungen (auch des Gesundheitssystems) bleibt nicht viel für Investitionen in Soziales. 82% der Pakistani sind bei der Behandlung von Krankheiten auf unwissenschaftliche Quacksalberei angewiesen, eine halbe Million Frauen sterben jährlich bei der Geburt und über die Hälfte der Kinder, vor allem Mädchen, haben keinen Zugang zu Bildung. Die Liste liesse sich endlos weiterführen. Das ist das Erbe des britischen Kolonialismus und der Politik des US-Imperialismus.

In einem Gespräch mit Obama am 11. Oktober diesen Jahres warnte Malala den US-Präsidenten und Friedensnobelpreisträger, dass die Drohnenangriffe der US-Regierung den Terrorismus in Pakistan stärken würden. Durch diese “Anti-Terrormassnahmen” sterben jährlich tausende unschuldige Menschen. Diese mörderischen Attacken sind aber nur ein Beispiel für die blutige Durchsetzung imperialistischer Interessen in Pakistan. Das Land ist zur Spielwiese der in Asien sich bekämpfenden Grossmächte geworden. China ist seit Jahrzehnten der grösste Waffenlieferant an Pakistan, das zu den Top 10 Waffenkäufern der Welt zählt, und schöpft Gewinn aus dem Bergbau und der Ölförderung. Während multinationale Konzerne jährlich riesige Profite erwirtschaften können, stoppt der Staat für private Haushalte die Stromzufuhr (bis zu 12 Stunden pro Tag in grossen Städten!), um Schulden zu begleichen. Die Interessen des in- und ausländischen Kapitals stehen im direkten Gegensatz zu dem der pakistanischen Bevölkerung, von der etwa 70% in Armut leben. Die Massen werden jedoch durch mehrere Stellvertreterkriege in unterschiedliche Ethnien und Religionen gespalten.

Die islamistischen Fundamentalisten stehen dem Staat und Militär nicht feindlich gegenüber; sie sind vielmehr selbst Teil des korrupten und verfaulten Systems. Saudi-Arabien, der Irak aber auch der pakistanische Geheimdienst ISI beliefern solche Gruppen mit Waffen. Auch die USA unterstützen unter dem Deckmantel nationaler Bestrebungen von Minderheiten, etwa im Konflikt in Balutschistan, blutige Auseinandersetzungen.

Im Swat-Tal, der Heimatregion Malalas, übernahmen die Taliban 2009 die Macht. Der Konflikt zwischen der Armee und den USA einerseits , und den Taliban andererseits, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das von Korruption durchsetzte Militär wirtschaftlich durch Fundamentalisten unterstützt wird. Vor allem die Gelder aus dem Drogenhandel sind hier ganz entscheidend.

Pakistan ist eigentlich ein rohstoffreiches und fruchtbares Land, wird aber in einem Zustand der Barbarei gehalten. Angesichts der weltweiten kapitalistischen Krise und der unzureichenden Infrastruktur findet in vielen Städten derzeit gar eine Deindustrialisierung durch Abwanderungen von Fabriken statt. Die komplette Ineffizienz des Kapitalismus wird hier offensichtlich. Die Überwindung des Systems und die Errichtung einer demokratischen Planwirtschaft ist die einzige menschenwürdige Lösung für dieses Land.

Die pakistanische Sektion unserer Organisation, The Struggle, kämpft genau für dieses Ziel. Zur Unterstützung von Flüchtlingen aus dem Swat-Tal organisieren sie Camps und Bildungsseminare und stellen Essens- und Sportangebote zur Verfügung. Vor Ort kämpfen Genossen trotz Morddrohungen der Taliban unermüdlich für sozialistische Politik. Im Zuge des letzten Wahlkampfs fanden in Waziristan Versammlungen mit etwa 30.000 TeilnehmerInnen statt. Ein weiterer wichtiger Teil ist auch die Frauenarbeit unserer GenossInnen, wobei hier gezielt versucht wird, Frauen politische Arbeit und Aktivität zu ermöglichen und sie zu bilden.

Malala selbst nahm 2012 an unserer Marxistischen Sommerschule in Pakistan teil. In einer schriftlichen Grussbotschaft an den Kongress unserer GenossInnen schrieb sie:

“Ich bin überzeugt, dass Sozialismus die einzige Antwort ist, und ich rufe alle GenossInnen dazu auf, diesen Kampf zu einem siegreichen Ende zu führen. Nur das wird uns von den Ketten der Bigotterie und der Ausbeutung befreien.”

Es bleibt abzuwarten, ob die westlichen Staaten, NGOs, Medien und andere Institutionen Malala und ihre Familie mit ihrer Version der Geschichte vereinnahmen werden. In jedem Fall bleibt unsere Devise der Kampf für den Sozialismus. Dafür ist für uns als marxistische Organisation internationale Solidarität ein wichtiger Grundpfeiler.