Dass die griechische Linkspartei Syriza einen Tag nach der Wahl vom 25. Januar 2015 eine Koalition mit der Rechtspartei ANEL (Unabhängige Griechen) einging, hat viele linke Aktivisten verunsichert. Ist die Syriza-Führung wirklich auf diesen Koalitionspartner angewiesen?


Sieg von SyrizaIm Zusammenhang mit der unvermeidlichen Verwirrung nach der Wahl erscheint wohl der Mehrheit der Wählerschaft unserer Partei die Koalition mit ANEL als „vernünftig“, nachdem die Führung der Kommunistischen Partei (KKE) eine Zusammenarbeit mit Syriza ablehnt. Aber ist diese Koalition wirklich die einzige Option? Wir glauben das nicht.

Zunächst einmal trägt die Führung der KKE die Verantwortung dafür, dass eine eigenständige linke Regierung nicht zustande kam. Obwohl die Massen entscheidend nach links rückten und die linken und aus der kommunistischen Tradition entstandenen Parteien in Grossstädten zusammen auf eine absolute Mehrheit kamen, weigerte sich die KKE-Führung, dies für das Zustandekommen einer Regierung im Interesse der arbeitenden Bevölkerung zu nutzen. Sie verhielt sich wie ein zeitgenössischer Pontius Pilatus, wusch sich die Hände in Unschuld und verzichtete darauf, konkrete Forderungen zu stellen und damit die Überlegenheit der kommunistischen Ideen unter Beweis zu stellen. Mit diesem sektiererischen Ansatz lieferten sie der Syriza-Führung einen Vorwand, auf so genannte „Verbündete“ im bürgerlichen Lager zuzugehen.

Diese von einem Klassenstandpunkt unannehmbare Position der KKE-Führung rechtfertigt keinesfalls, dass die Syriza-Führung die Koalition mit einer bürgerlich-nationalistischen Partei einging und damit die „roten Haltelinien“ vom ANEL akzeptiert hat, die grundlegende weitergehende linke und radikalere Massnahmen seitens der Regierung verhindern. Die Alternative wäre gewesen, dass die Syriza-Führung eine unabhängige Linksregierung gebildet hätte. Dazu hätten und sollten noch immer die folgenden Schritte gehören.

  1. Die KKE-Führung hat in ihren Erklärungen nicht ausgeschlossen, dass sie im Parlament für alle gegen die bisherige Kahlschlagspolitik gerichteten Gesetze und Massnahmen im Interesse der arbeitenden Klasse stimmen würde. Die war gezwungen KKE dies öffentlich bekannt zugeben. In diesem Sinne könnte die Syriza-Führung die KKE nicht abstrakt, sondern in konkreten Fällen und zeitlich befristet auffordern, der Syriza-Regierung das Vertrauen auszusprechen. Eine Grundlage hierfür könnten die im Syriza-Wahlprogramm von Saloniki aufgelisteten Massnahmen im Interesse der arbeitenden Klasse und weitere grundlegender Forderungen aus den Reihen der KKE bilden.
  2. Natürlich könnte Syriza auch die Unabhängigen Griechen zur Unterstützung einer Syriza-Regierung bei der Vertrauensfrage im Parlament auffordern, ohne mit ihnen eine Koalitionsregierung zu bilden. Damit hätten die Unabhängigen Griechen mit ihrer oberflächlichen, demagogischen und inkonsequenten Kritik am „Memorandum“ rasch Farbe bekennen müssen.
  3. Und wenn die KKE-Führung sich geweigert hätte, Syriza selbst in konkreten Punkten und zeitlich befristet zu unterstützen, dann hätte Syriza Neuwahlen beantragen können. Auf der Grundlage einer geduldigen Erklärung der Notwendigkeit einer unabhängigen linken Regierung und des Massenzustroms zu Syriza insbesondere in Grossstädten und Ballungsgebieten könnte Syriza noch mehr Stimmen hinzu gewinnen und damit eine absolute Parlamentsmehrheit erringen.

Ein solcher Ansatz hätte zeigen können, dass Syriza wirkliche, ehrliche und vernünftige Schritte umsetzt und nicht nur leere Gesten in Richtung Koalition mit der KKE. Aber stattdessen verzichtete der Genosse Tsipras am Wahlabend in seiner Ansprache auf einen Appell an die KKE. Für die Syriza-Führung war offenbar eine Koalition mit der KKE genau so begehrenswert wie eine Koalition mit der neoliberalen  Partei To Potami (Der Fluss) und ANEL. Es war offensichtlich, dass die Syriza-Führung diese Koalition mit ANEL schon längerfristig eingefädelt hatte. Dies wurde zweifellos begünstigt durch das Sektierertum der KKE-Führung und den Druck der herrschenden Klasse. Gleichzeitig verwarf die Syriza-Führung jeden Verweis auf Neuwahlen als „politische Anomalie“.

Die Kommunistische Strömung in Syriza hat sich öffentlich gegen die politisch falsche Begründung einer Koalition mit den Unabhängigen Griechen ausgesprochen. Insbesondere angesichts der Tatsache, dass eine linke Parlamentsmehrheit als Grundlage für eine Linksregierung besteht, ist eine gemeinsame Regierung mit einer rechten, nationalistischen Partei ein schwerer Fehler. Diese Partei wird zwangsläufig als Wächter der bürgerlichen Establishments und „linke Exzesse“ der neuen Regierung ausbremsen.

Wir verstehen voll und ganz, warum viele arbeitende Menschen ANEL als „notwendigen Anti-Memorandum-Partner“ hinnehmen. Die verbreitete Verwirrung und Illusionen werden sich allerdings auf der Grundlage realer Erfahrungen in den anstehenden Ereignissen rasch auflösen. Für die Führung unserer Partei Syriza ist die Koalition mit ANEL etwanderes, nämlich ein Vorwand, um die Verantwortung für eine radikale Änderung der Zustände von sich zu schieben, die man von einer echten Linksregierung erwarten würde. Diese Koalition mit ANEL ist ebenso ein klares Zeichen an die herrschende Klasse in Griechenland, dass die Syriza-Führung deren wirtschaftliche und politische Vorherrschaft nicht in Frage stellt.

Von den Führern der Linken Platform in Syriza hätten wir eigentlich erwartet, dass sie gegen die parteischädigende Koalition mit ANEL Widerstand leisten und für eine unabhängige Linksregierung eintreten. Doch wollten diese am entscheidenden Wendepunkt davon nichts mehr wissen und haben sich stattdessen dafür entschieden, die Regierungskoalition mit der rechten, populistischen ANEL zu unterstützen.

Die Kommunistische Plattform ruft alle linken Aktivisten auf, sich gegen das Gerede von der “Unvermeidlichkeit” und “Alternativlosigkeit” der Koalition mit ANEL zu stellen und für folgende Ziele zu kämpfen:

  • Kein Zurück, keine Aufweichung der linken Punkte im Syriza-Wahlprogramm, die den Interessen und dem Wohle der arbeitenden Klasse dienen!
  • Geduldige Überzeugungsarbeit für die Notwendigkeit eines Bruchs mit dem Koalitionspartner ANEL und einer linken Mehrheitsregierung mit einem sozialistischen Programm. Streichung der Schuldenlast und Überwindung nicht nur des Austeritätsmemorandums, sondern auch des kapitalistischen Systems, das diese Massnahmen hervorgebracht hat.