In einer wachsenden Bewegung gegen das Massaker in Gaza haben Studenten und Fakultätsmitglieder in über 60 Universitäten und Colleges in den USA Protestcamps errichtet. Eine ganze Generation wird politisiert und zieht Schlussfolgerungen über das Wesen des Imperialismus, die Rolle der Polizei und des Staates und die Notwendigkeit kollektiven Handelns.

Am 17. April setzten Studenten und Dozenten der Columbia University in New York mit ihrem Lager auf dem Campus ein Zeichen der Solidarität mit dem palästinensischen Volk, das dem brutalsten Völkermord des israelischen zionistischen Regimes ausgesetzt ist. Shafik, Präsident der Columbia University, verleumdete die Palästina-Solidaritätsbewegung als antisemitisch und bot die Polizei auf, um den Protest auf dem Campus aufzulösen. Das war der Funke, der die Bewegung in den USA verbreitete. 

Seit Monaten werden wir mit einer Flut von Propaganda von Regierungsministern, Staatsbeamten und den Mainstream-Medien konfrontiert. Sie stempeln jeden, der das palästinensische Volk unterstützt und die zionistische Regierung Israels ablehnt, als antisemitisch ab. Die Ironie dabei ist, dass sich viele jüdische Studenten aktiv an der Palästina-Solidaritätsbewegung beteiligt haben und bei der jetzigen Welle von Campus-Protesten sehr präsent sind. Sie sind sich bewusst, dass der Widerstand gegen den Völkermord an den Palästinensern nichts mit Antisemitismus zu tun hat.

Bisher wurden im Gazastreifen mehr als 34’000 Menschen getötet und weitere 77’000 verwundet. Diese Brutalität hat das Gewissen von Hunderttausenden von US-Studenten aufgerüttelt. Sie sind nicht bereit, die offene Unterstützung von Bidens Regierung für Netanjahus Krieg zu tolerieren. Wir haben eine lange Reihe von Solidaritätsdemonstrationen mit Palästina gesehen, die jedoch wenig bis keine Wirkung auf Biden und die US-Regierung hatten. Das erklärt, warum sich die Bewegung jetzt auf eine höhere Ebene entwickelt hat. US-Studenten wollen jetzt etwas Konkreteres tun, um den Völkermord zu stoppen. Viele Professoren haben sich ihnen solidarisch angeschlossen.

Die US-Behörden dachten, sie könnten die Bewegung im Keim ersticken mit einem seit Jahrzehnten nicht mehr gesehenen Ausmass an polizeilicher Repression an der Columbia University. Diese führte zu Hunderten von Verhaftungen und zur Suspendierung und Ausweisung von Studenten. Sie bewirkte jedoch genau das Gegenteil von dem, was sie sich erhofft hatten. Die Repression hat die Studenten an der Universität Columbia noch wütender gemacht und dazu beigetragen, die Bewegung im ganzen Land zu verbreiten. Beginnend mit Yale kam es an einem Campus nach dem anderen zu grossen Mobilisierungen, die Bewegung breitet sich weiter aus. Sie hat begonnen, die Landesgrenzen zu überschreiten. In Frankreich, Griechenland, Grossbritannien und Australien gab es Besetzungsversuche.

Das Ausmass der polizeilichen Repression hat eine tiefgreifende und grossflächig radikalisierende Wirkung. Indem die Studenten geschlagen, misshandelt und verhaftet werden, lernen sie das wahre Wesen des Staates – mit seiner «Formation bewaffneter Menschen», die zur Verteidigung der Kerninteressen der US-Kapitalistenklasse eingesetzt werden – nicht aus Büchern, sondern durch die reale Erfahrung. Polizei und Staatspolizei (State Troopers) haben Schlagstöcke, Tränengas, berittene Polizisten usw. gegen eine friedliche Bewegung eingesetzt, die das demokratische Recht auf Protest ausübte. Unter diesen Bedingungen lernen junge Menschen schnell!

Die Vertreter des Staates streuen in normalen Zeiten Sand in die Augen mit ihrem Gerede von der Verteidigung der «Demokratie» und der humanitären Rechte, während sie in Wirklichkeit ihre eigenen Profite und Privilegien verteidigen. Die derzeitige Bewegung in den USA offenbart das wahre Gesicht des Systems. Das wird in nächster Zeit Konsequenzen haben. Eine neue Generation militanter Jugendlicher wird gerade geschmiedet.

Das Ausmass der Repression durch die US-Behörden zeigt, dass sie diese Bewegung fürchten. Sie wollen, dass sie zerschlagen und zurückgedrängt wird. Aber wovor haben sie Angst? Die Kapitalisten und ihre politischen Vertreter in den Vereinigten Staaten verteidigen ganz offen die Interessen des US-Kapitalismus. Bei den Waffenlieferungen an Israel geht es sowohl um viel Geld als auch um die geostrategischen Interessen der herrschenden Klasse der USA. Die Verteidigung Israels ist ein Schlüsselelement in der Politik des US-Imperialismus, der seine Einflusssphären in der ganzen Welt beibehalten und seinen Einfluss in Gebieten zurückgewinnen will, die er an seine Konkurrenten verloren hat.

Das ist auch der Grund, warum die Vereinigten Staaten in einen globalen Konflikt verwickelt sind, der sich von der Ukraine bis nach Palästina, von Afrika bis nach Lateinamerika und in den Pazifik erstreckt. Sie stehen den zwei Grossmächten Russland und China gegenüber, deren Einfluss und Schlagkraft in den letzten Jahrzehnten massiv zugenommen haben und die in Bereiche vordringen, die einst als Einflussgebiete der USA galten. Der Iran hat seinen Einfluss auch im Nahen Osten ausgeweitet und ist zu einer starken Regionalmacht mit Verbindungen in den Irak, nach Syrien und in den Libanon geworden. Er ist Teil einer Kette von Ländern geworden, die mit Russland und China verbunden sind. Der jüngste Austausch von Drohnen- und Raketenangriffen zwischen Israel und dem Iran und die Gefahr eines grösseren Krieges zwischen den beiden Ländern ist Teil dieses umfassenderen Konflikts.

Die US-Studenten haben es mit der mächtigsten imperialistischen Kraft auf dem Planeten zu tun, die zurückschlägt, um verlorenen Einfluss auf internationaler Ebene zurückzugewinnen. Die Studenten können klar erkennen, dass sie die Unterstützung der USA für das Netanjahu-Regime beenden müssen, um Israels völkermörderischen Krieg gegen Gaza zu beenden.

Sie fordern, dass sich amerikanische Universitäten sowohl von Israel als auch von Unternehmen, die derzeit vom Krieg in Gaza profitieren, desinvestieren. Wir stimmen mit diesen Forderungen voll und ganz überein. Die Kriegsmaschinerie der israelischen Regierung sollte mit keinem Cent und keiner Kugel unterstützt werden. Ohne US-Hilfe, sowohl finanziell als auch militärisch, wäre Israels Militäroffensive in Gaza erheblich schwächer.

Die Frage, die sich stellt, ist: Wie kann die Bewegung ihr Hauptziel, die Desinvestition, erfolgreich durchsetzen? Es reicht nicht aus, an die Universitätsverwaltungen zu appellieren. Diese Einrichtungen haben ein Eigeninteresse daran, ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu Israel aufrechtzuerhalten. Ausserdem sind hier grosse Weltkonzerne involviert, von BlackRock über Google, Amazon, Lockheed Martin und viele andere, bei denen Milliarden von Dollar auf dem Spiel stehen. Das sind die Leute, die von US-Bullen verteidigt werden.

Die US-Studenten sehen, dass eine starke Massenbewegung mit direkten Aktionen erforderlich ist. In den meisten Fällen sind die Einzelheiten der finanziellen Beziehungen der Universitäten zu diesen Grossunternehmen und zu Israel nicht öffentlich zugänglich. Diese Konten müssen öffentlich gemacht werden. Deshalb sollte eine der Hauptforderungen lauten: legt offen, öffnet die Geschäftsbücher; zeigt uns, woher das Geld kommt und wo es investiert wird! Alle Geschäfte der Universitätsverwaltungen mit Israel sollten offengelegt werden.

Die Studenten in den USA haben einen guten Anfang gemacht. Bislang wurden die Forderungen jedoch an die Universitätsbehörden gerichtet, denen man nicht trauen kann. Die Bewegung muss Wege finden, um ihre Forderungen den Behörden aufzwingen zu können. Diese Leute können nicht durch «Dialog» überzeugt werden. Sie müssen an einen Punkt gebracht werden, an dem die Bewegung so stark ist, dass sie gezwungen sind, nachzugeben. Die Studenten haben den Weg gewiesen. Aber um ihrer Kampagne mehr Gewicht zu verleihen, müssen sie ihren Kampf auf andere Schichten der Gesellschaft ausweiten.

Das kann damit beginnen, auf das Personal auf dem Campus zuzugehen, von den Dozenten – von denen einige bereits ihre Stelle riskiert haben, indem sie sich für die Studenten eingesetzt haben – bis hin zum Verwaltungspersonal, den Wartungsarbeitern, dem Forschungspersonal usw. Es sollte Druck auf die Gewerkschaften ausgeübt werden, beginnend auf der Ebene der Basis, der Betriebsräte oder Vertrauensleute und ihren Ausschüssen.

Eine Kampagne sollte organisiert werden, bei der Gruppen von Studenten zu den verschiedenen Gruppen von Arbeitern geschickt werden. Es sollten gemeinsame Aktionen von Arbeitern und Studenten organisiert werden. Auf einer breiteren Ebene sollten die Beschäftigten im Transportsektor, wie Hafenarbeiter, Luftfrachtarbeiter usw., angesprochen werden, um einen Arbeiterboykott durchzuführen. Jeder Israel-Transport von Waffen oder Gütern, die Teil der Militäroffensive der israelischen Armee in Gaza sind, muss durch Streiks blockiert werden. In anderen Teilen der Welt haben Arbeiter in diesen Sektoren bereits solche Initiativen ergriffen. Die öffentlichkeitswirksame Hartnäckigkeit der Studenten angesichts der polizeilichen Unterdrückung hat in breiteren Schichten enorme Sympathie und Respekt hervorgerufen, und wir sind uns sicher, dass die Studenten von vielen dieser Arbeiter eine herzliche Antwort erhalten würden.

Die USA sind der grösste Waffenexporteur an Israel. Auf sie entfallen rund 65 Prozent der israelischen Einfuhren konventioneller Waffen. Die beiden nächstgrössten Waffenlieferanten für Israel sind Deutschland (rund 30 Prozent) und Italien (knapp 5 Prozent). Ein erfolgreicher Boykott Israels durch die Arbeiter würde die Fähigkeit des Staates, seinen völkermörderischen Feldzug in Gaza fortzusetzen, ernsthaft beeinträchtigen.

Eine erfolgreiche Kampagne in den Vereinigten Staaten könnte den Anstoss zu einer Reihe solcher Kampagnen in einem Land nach dem anderen geben und würde die Wirkung noch verstärken, wenn sie in ganz Europa organisiert würde, insbesondere in den Ländern, die stark an der Lieferung von Waffen an Israel beteiligt sind.

Eine solche Kampagne muss daher auf internationaler Ebene organisiert werden. Die Tatsache, dass ähnliche Camps wie in den USA auf dem Campus in Paris, Sydney und Kairo stattgefunden haben und Berichte über ähnliche Bemühungen in anderen Ländern vorliegen, zeigt das Potenzial für eine Ausbreitung der Bewegung.

Während die Bewegung darauf abzielt, Israels Gemetzel in Gaza zu stoppen, ist es klar, dass der direkte Feind der US-Studenten im eigenen Land sitzt. Es ist die herrschende Klasse in den USA, genau so wie der Feind der britischen Studenten die Sunak-Regierung ist, der Feind der französischen Studenten ist Macron und seine Regierung und der Feind der italienischen Studenten ist die Meloni-Regierung und so weiter. Alle diese Regierungen haben Polizeikräfte eingesetzt, um auf die eine oder andere Weise gegen Aktivitäten der Palästina-Solidarität vorzugehen. In vielen Ländern wurden Demonstranten mit Schlagstöcken angegriffen, mit Tränengas besprüht und verhaftet.

Auch der Vorwurf des Antisemitismus wird in allen westlichen Ländern systematisch eingesetzt, um die Palästina-Solidaritätsbewegung zu kriminalisieren. Die Ironie dabei ist, dass es gerade die herrschende Klasse ist, die Rassismus schürt. Dieselben bürgerlichen Minister, die versuchen, gegen Migranten zu hetzen und mit skandalösen Äusserungen interethnische Konflikte zu provozieren – die bewährte Methode des «Teile und herrsche» -, machen jetzt viel Lärm um den Antisemitismus.

Wir lehnen alle diese eklatanten Manöver der Kapitalistenklasse in allen Ländern ab. Wir sagen: Der Feind ist im eigenen Land. Um dem palästinensischen Volk zu helfen, müssen wir diese Feinde an der eigenen Front bekämpfen. Daher sollte «kein Cent, keine Kugel für die israelische Kriegsmaschine» ein klarer Aufruf für die gesamte Bewegung sein. Er sollte an alle nationalen Regierungen gerichtet sein, die den Völkermord in Gaza unterstützen.

Biden, Sunak, Macron, Scholz, Meloni und all die anderen Regierungschefs – sowohl die der Rechtskonservativen wie Sunak als auch die der Sozialdemokraten, ob in der Regierung wie Scholz in Deutschland oder in der Opposition wie Starmer in Grossbritannien – haben das Blut des palästinensischen Volkes an ihren Händen. Sie alle verteidigen die wirtschaftlichen Interessen ihrer eigenen herrschenden Klassen. Und sie alle setzen die repressiven Kräfte des Staates ein, um junge Demonstranten physisch anzugreifen, zu schikanieren und zu verhaften. Das einzige Verbrechen von ihnen besteht darin, sich aktiv gegen die kriminellen Aktivitäten ihrer Herrscher zu wehren.

All dies zeigt sehr deutlich, dass der Kampf zur Verteidigung des palästinensischen Volkes gleichzeitig ein Kampf gegen den Feind im eigenen Land ist: die Kapitalisten, die herrschende Klasse und ihre politischen Vertreter. Die gleichen Politiker, die immer Milliarden für Munition, Bomben, Drohnen und Raketen aufbringen können, sind diejenigen, die die Ausgaben für das Gesundheitswesen, die Bildung, den öffentlichen Verkehr und den öffentlichen Wohnungsbau kürzen. Sie führen nicht nur Kriege, sondern auch den Klassenkampf.

Während Dutzende von lokalen Kriegen in verschiedenen Teilen der Welt geführt werden, profitieren die Kapitalisten vom Blutvergiessen und der Zerstörung. Wir müssen all diese Parasiten loswerden! Dazu müssen wir die fortschrittlichsten und kämpferischsten Arbeiter und Jugendlichen in allen Ländern zu einer echten, revolutionären kommunistischen Kraft organisieren. Eine solche Kraft kann damit beginnen, die besten Klassenkämpfer zu versammeln, all jene Menschen, die die Gesellschaft verändern wollen, sich aber allein machtlos fühlen. Wir sagen: «In der Einheit liegt die Kraft.» Helft uns, die Partei aufzubauen, die die Arbeiterklasse und die Jugend verdient.

Solange es den Kapitalismus gibt, werden die Kapitalisten einen Krieg nach dem anderen anzetteln. Um dieser Barbarei, dieser Hölle auf Erden, endgültig ein Ende zu setzen, müssen wir die Gesellschaft radikal umgestalten. Das bedeutet, dass wir für echten Kommunismus kämpfen müssen, in dem die Macht in den Händen derer liegt, die den Reichtum produzieren: die Arbeiter der Welt!

  • Keinen Cent, keine Kugel für die israelische Kriegsmaschinerie!
  • Freies Palästina!
  • Intifada bis zum Sieg, Revolution bis zum Sieg!