Die GSoA beschloss eine neuerliche Initiative zum Militär zu lancieren. Die Initiative verlangt nicht die Abschaffung der Armee, sondern die Umwandlung von einer Miliz- zur Freiwilligenarmee. Obwohl die Initiative wohl scheitern wird, ist es von zentraler Bedeutung aufzuzeigen, dass die freiwillige Wehrpflicht längerfristig zur Umstrukturierung von der jetzigen Miliz- zu einer Berufsarmee führen würde. Genau dieser Unterschied in der Beschaffenheit der Armee kann in revolutionären Situationen eine zentrale Rolle einnehmen und hat somit Einfluss auf die ArbeiterInnenbewegung.

Ein erster Schritt zur Abschaffung der Armee?Wehrpflicht
Eines muss von Beginn an klar sein: wir verteidigen niemals die bürgerliche Armee. Sie ist ein Werkzeug in den Händen der Herrschenden, eine besondere Formation bewaffneter Männer zur Verteidigung der Interessen der Besitzenden. Somit stehen wir Seite an Seite mit der GSoA und allen anderen fortschrittlichen Kräften, welche diesen Repressionsapparat abschaffen wollen. Gegen wen sich dieser richtet zeigte sich in der Vergangenheit immer wieder deutlich und auch heute ist es klar. Erst letztes Jahr probte das Schweizer Militär den Notfall: wütende Zivilsten blockieren Strassen und besetzen Gebäude. [1]Gegenüber linken Einwänden gegen die Abschaffung der Wehrpflicht wurde stets betont, diese sei nur ein erster Schritt in Richtung Abschaffung der Armee als Ganzes. Sobald sich VertreterInnen der GSoA jedoch mit bürgerlichen Gegnern konfrontiert sahen, wurde stets betont, die Initiative habe nichts mit der Abschaffung der Armee zu tun. Neben dem offensichtlichen Opportunismus dieser Art, was wäre nun die Konsequenz der Abschaffung der Wehrpflicht ohne Abschaffung der Armee? Auch wenn im Initiativtext nichts dazu steht und dem Militärvelofahrer Ueli Maurer und dem VBS denn die Qual der Wahl überlassen würde, soll der aktuellen Armee laut GSoA zunächst eine Freiwilligenmiliz folgen.

Die Freiwilligenarmee und ihre Folgen
Auch wenn die Milizarmee, so wie sie heute ist, natürlich nicht der Zusammensetzung der Bevölkerung entspricht, man bedenke nur schon die Abwesenheit von Frauen, so vereint sie doch bis zu einem gewissen Grad Stadt und Land und besteht so gut wie ausschliesslich aus Lohnabhängigen. Dies würde sich bei einer Freiwilligenarmee schlagartig ändern. Denn heute besteht für die männliche Jugend der Zwang, zwischen Armee, Zivildienst und dem Bezahlen eines Wehrpflichtersatzes zu wählen. Nach Annahme der Initiative entscheiden sie nicht mehr, was für einen Dienst sie leisten möchten, sondern ob sie überhaupt einen Dienst leisten. Die Beteiligung am Militär- sowie am Zivildienst würde markant abnehmen. Aus den Städten kämen praktisch nur junge Männer ohne Arbeit und Perspektive und vom Land patriotische Bauern und Kleinbürger. Die Armee wäre gezwungen der neuen Freiwilligkeit mit finanziellen Anreizen unter die Arme zu greifen und die Dienstzeit der Freiwilligen zu erhöhen.

Berufsarmee
Die GSoA ist sich im Klaren darüber, dass eine Freiwilligenarmee nie genug Interessenten haben wird und gibt vor damit den Grundstein für eine Abschaffung der Armee zu legen. Denn auch Erhöhungen des Solds und der Diensttage werden den Mangel an SoldatInnen nicht beheben können. Doch sie irren sich gewaltig, wenn sie glauben dies gäbe ihrem Anliegen der Abschaffung der Armee Rückenwind. Im Gegenteil, im Zentrum stehen würde nicht die Abschaffung der Armee, sondern ihre Umgestaltung zur Berufsarmee. Aus der Abschaffung der Armee wird die Berufsarmee. Die GSoA schiesst sich ins eigene Bein. Dies stärkt das Militär, welches nun endgültig als gesonderte Formation über der Bevölkerung stehen würde. In Richtung einer Professionalisierung der Armee geht auch das bürgerliche Projekt zur Weiterentwicklung der Armee, welches noch nicht öffentlich ist, jedoch demnächst im Parlament diskutiert wird.
Bereits bei der GSoA-Initiative gegen neue Kampfjets beging diese einen groben Fehler, nämlich die Initiative zurückzuziehen. Keine drei Jahre später wird der Kauf von ebensolchen beschlossen. Obwohl auch bei dieser Initiative ein Hauch Naivität mitschwingt, geht der Fehler der GSoA nicht bloss auf eine taktische Fehlüberlegung der GSoA zurück. Sie ist vielmehr das Resultat der Trennung zwischen Minimal- und Maximalprogramm. Im Versuch, in kleinen Schritten in Richtung Armeeabschaffung zu schreiten, wird der Militarismus gestärkt. Wir wagen sogar die These aufzustellen, eine Initiative zur Abschaffung der Armee als Ganzes, würde heute gleich gut, wenn nicht sogar besser abschneiden als die zur Wehrpflicht. Antimilitarismus und Arbeit in Richtung der Abschaffung der Armee ist eben mehr als eine blosse „Marketingstrategie“.

Miliz und innere Einsätze auf dem historischen Prüfstand …
Die GSoA verweist derweil in der längeren Version ihres Argumentariums, im Abschnitt, wo sie auf den Einsatz der Milizarmee im Landesstreik hinweist, auf das „linke“ Gegenargument, „dass die Wehrpflicht eine demokratische Struktur innerhalb der Armee garantiert und damit ein interner Kontrollmechanismus zum Tragen kommt“. Diese starke Vereinfachung einer linken Position zur Wehrpflicht macht es ihr leicht, diese zu entkräften.
Es sind nicht etwa demokratische Gepflogenheiten welche die SoldatInnen davon abhalten würden auf die eigenen Leute zu schiessen, sondern ihre eigene Stellung in Hochphasen des Klassenkampfes, wo es der Staat für nötig hält die Armee einzusetzen. Die SoldatInnen waren vor Eintritt in die Armee an gleicher Stelle wie die wehrhaften ArbeiterInnen und werden es nach Austritt aus der Armee wieder sein.
So war auch die Milizarmee, welche 1918 gegen den Landesstreik eingesetzt wurde, zutiefst gespalten. Der Divisionär Emil Sonderegger, welcher die Aktion leitete, konnte nicht mal im Traum daran denken, junge Arbeiter aus den Städten zu mobilisieren. Den Teil der Armee, auf welchen sich der bürgerliche Staat verlassen konnte, rekrutierten sie aus den rückständigen Teilen der Schweiz, namentlich aus Bauern. Diese wurden durch die Subventionierungen und Preisfestlegung an den bürgerlichen Staat gebunden. Diesen jungen Bauern wurde vorgegaukelt, sie hätten andere Interessen als die Arbeiter. Und dennoch: auch sie waren nicht zu bedingungslosem Gehorsam bereit, sondern haben sich teilweise mit den ArbeiterInnen solidarisiert, was schlimmeres verhinderte.

… und am Beispiel Ägyptens
Doch es gibt auch aktuellere Beispiele, wo sich eine Milizarmee als wichtigen Faktor im Klassenkampf, als matchentscheidend für die Revolution herausstellte. Als in Kairo auf dem Tahrir-Platz die Massen gegen das Regime von Mubarak protestierten, verfügte die Regierung nicht über die Möglichkeit den Aufstand blutig niederzuschlagen. Die Wehrpflichtigen gingen mit den Massen und gegen das Regime. Die einzigen Stützen des Regimes waren Polizei und bezahlte Schlägertrupps. Die soziale Zusammensetzung der Armee, die aufgrund der Wehrpflicht in etwa derjenigen der Bevölkerung entsprach, war eine wesentliche Voraussetzung, dass die revolutionäre Bewegung die Armee als Werkzeug der Herrschenden neutralisieren konnte. Erst dadurch wurde der Weg frei zum Sturz von Mubarak und schliesslich auch von dessen Nachfolger Mursi. Bei einer völlig vom Volk gelösten Berufsarmee wäre der Blutzoll viel höher gewesen. Wer auch immer an die Stelle von Mursi gesetzt wird, seine Position wird bei neuen Massenprotesten nicht mit militärischer Gewalt gesichert werden können. Wir sehen jedoch auch, dass eine Miliz ohne demokratische Kontrolle der SoldatInnen und der Bevölkerung auch ganz schnell wieder der militärischen Disziplin unterworfen und wieder zum Instrument der Herrschenden werden kann.

Wie weiter?
Vertreter des Militärs und der Bürgerlichen betonten immer wieder, die aktuelle Milizarmee sei die beste demokratische Kontrolle, welche sich eine Armee überhaupt vorstellen könne. Dies ist natürlich absoluter Humbug und wir haben keine Illusion in die bürgerliche Miliz. Die Bürgerlichen werden dank den Mechanismen des Militarismus in einer solchen Miliz immer wieder ihre Disziplin herstellen können. [2] Eine linke Position zur Armee kann nur eine feindliche sein, denn sie ist und bleibt ein Gewaltmittel zur Wahrung der herrschenden Verhältnisse. Wir müssen stets gegen milliardenteure Aufrüstung kämpfen, die dann wieder durch Einsparungen bei Bildung und Sozialem wettgemacht werden soll, wie aktuell mit dem Kauf von Kampfjets. Unsere feindliche Haltung gegenüber der Armee darf aber nicht heissen, dass wir uns von ihr entfernen, sie ganz dem Staat und somit dem Bürgertum überlassen. Unsere Pflicht ist es die Armee der Kontrolle der SoldatInnen zu unterstellen, ihr Budget auf einem absoluten Minimum zu halten und die Militärjustiz auszuschalten. Nur eine auf dem Milizsystem beruhende Umverteilung der Macht von den Offizieren und dem Staat zu den SoldatInnen kann die Armee aus den Fesseln der herrschenden Klasse befreien.


1 Siehe Funke Nr. 24, „Der herrschenden klasse starker Arm – Militarisierung und Widerstand“

2 Für eine ausführliche marxistische Kritik am Militarismus empfehlen wir: Karl Liebknecht, „Militarismus und Antimilitarismus“