Wenn wir im Mai dieses Jahres die Revolutionäre Kommunistische Partei gründen, beginnen wir nicht bei null. Wir stehen in einer langen, reichen Tradition, die bis auf das Kommunistische Manifest zurückgeht.

In dieser reichen Geschichte kommt Lenin ein ganz besonderer Platz zu. Lenin war fähig, die Ideen von Marx und Engels in die Praxis umzusetzen. Ausgehend von einer Handvoll Marxisten hat er es geschafft, über Jahre der harten und geduldigen Arbeit eine revolutionäre Partei aufzubauen. Diese Partei – die Bolschewiki – gewann Millionen von Arbeitern und Bauern für das kommunistische Programm. Diese Partei führte die Arbeiterklasse Russland zur siegreichen Revolution, brach mit dem Kapitalismus und eröffnete den unterdrückten Massen der ganzen Welt die Perspektive der Weltrevolution. Darauf stützen wir uns.

Was tun?

Die Gründung der RKP ist eine Kampfansage gegen die Isolierung der Revolutionäre in diesem Land. Sie ist eine Kampfansage an den Reformismus und an die pessimistischen Illusionen, man könne nichts gegen dieses übermächtige System tun. Lenin hat den Weg gezeigt, wie man diese Zersplitterung überwindet und eine revolutionäre kommunistische Massenpartei aufbaut. 

Die Grundlage dafür legte er bereits in den Jahren 1900-1903. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands wurde 1898 mit einem klar revolutionären und marxistischen Selbstverständnis gegründet. Aber Lenin stellte fest, dass die Arbeiterbewegung ausgebremst wird durch das Aufkommen reformistischer Tendenzen und durch ihre organisatorische Zersplitterung und Amateurhaftigkeit. Ihr fehlte ein «gemeinsamer Plan der praktischen Tätigkeit».1

1900 lancierte er die Zeitung Iskra («der Funke»), 1902 schrieb er seine bahnbrechende Streitschrift Was tun? Das war eine Kriegserklärung gegen diese Tendenzen, die – ganz ähnlich wie heute – die Schlagkraft von eigentlich voll motivierten Revolutionären lähmten. Es war die Aufforderung, sich in einer konsequent revolutionären, disziplinierten und zentralisierten Partei zusammenzuschliessen: 

«Entwickelt werden muss erstens eine feste ideologische Vereinigung, die das Durcheinander und die Verwirrung beseitigt; und diese ideologische Vereinigung muss verankert werden durch ein Parteiprogramm.» 

Lenin, Ankündigung der Redaktion der Iskra, 1900

Revolutionäres Programm

Organisatorische Fragen standen bei Lenin nie im Vordergrund. Die revolutionäre Partei ist immer zuallererst ihre Ideen und ihr Programm. Erst daraus folgt die Art und Weise, wie man sich organisiert, was bei Lenin immer von grosser Flexibilität gezeichnet war. 

Sein ganzes Leben lang hat Lenin gegen die reformistische Anpassung ans bestehende System und für ein unbiegsames, konsequent revolutionäres Programm gekämpft. In der Phase rund um Was tun? kamen die russischen Reformisten in der Form des «Ökonomismus» daher.

Die Ökonomisten reduzierten ihr Programm auf die bloss «gewerkschaftlichen» Tagesforderungen, also für Verbesserungen im Betrieb. Die Argumente? Die Arbeiter interessieren sich für «konkrete» Fragen ihrer Lebensbedingungen, nicht für grosse Revolutionsideale oder Theorie. 

Lenin schoss vehement gegen diese Auffassung. Sie bedeutete nichts weniger als das Programm der Revolution aufzugeben, um sich auf die vermeintlich einfacheren Aufgaben im «Hier und Jetzt» zu fokussieren.

Marxisten kämpften immer für Reformen zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter. Aber «wie der Teil dem Ganzen untergeordnet ist, ordnet [die revolutionäre Partei] den Kampf für Reformen dem revolutionären Kampf für Freiheit und Sozialismus unter.»2

Keines der Probleme der Arbeiter und Unterdrückten kann gelöst werden, solange die politische und wirtschaftliche Macht in den Händen einer kleinen Elite von Ausbeutern liegt. Die Partei muss den Kampf der Arbeiterklasse «nicht nur für günstige Bedingungen des Verkaufs ihrer Arbeitskraft [führen], sondern auch den Kampf für die Aufhebung der Gesellschaftsordnung, die die Besitzlosen zwingt, sich an die Reichen zu verkaufen.»3

Die Arbeiterklasse braucht ein revolutionäres Programm. Nur der geeinte Kampf um ein solches Programm kann zur Einsicht führen, dass die Arbeiterklasse selbst die Macht ergreifen und die Kapitalisten enteignen muss. Sie braucht völlige politische und organisatorische Unabhängigkeit von der Bourgeoisie, die ihr direkt entgegengesetzte Interessen hat.

Die Rolle der Partei

Die Ökonomisten behaupteten, die Arbeiter interessierten sich nicht für die grossen Fragen der Politik und der Revolution. Aus dieser Haltung, die sich «arbeiternah» und «proletarisch» gibt, spricht in Wahrheit die ganze Verachtung der kleinbürgerlichen Intellektuellen gegenüber den Arbeitern.

Arbeiter sind nicht dumm. Niemand muss ihnen erklären, dass ihre Bedingungen im Betrieb scheisse sind. Das wissen sie. Dafür brauchen sie keine Partei. Was sie brauchen, ist eine wahre Erklärung, wie das mit dem System insgesamt zusammenhängt und ein klarer Vorschlag, was der Weg vorwärts ist.

Marxisten liegt es fern, die Arbeiterklasse zu idealisieren. Wir wissen, dass die breiten Massen der Arbeiter den Grossteil der Zeit nicht ein revolutionäres Klassenbewusstsein haben. Das Bewusstsein ist träge. Die Routine des Alltags und der lähmende und spaltende Einfluss der bürgerlichen Ideologie lasten schwer auf den Köpfen der Arbeiter. 

Aber Lenin – und alle echten Marxisten mit ihm – hatte immer das allergrösste Vertrauen in die Arbeiterklasse und ihre revolutionäre Kraft. Er wusste, dass die harten Erfahrungen des Lebens im Kapitalismus sie früher oder später zwingend zu revolutionären Schlussfolgerungen treiben müssen. 

Die Rolle der revolutionären Partei ist nicht, sich dem durchschnittlichen Bewusstsein der Arbeiter anzupassen und sie in ihren falschen Vorurteilen zu bestärken. Ihre Rolle ist es, den wahren Kern, ihren gesunden Klassenhass, zu nehmen und ihnen zu helfen, die falschen Vorurteile abzustreifen. Sie muss dem unbewussten Streben der Arbeiterklasse zu vollem revolutionärem Klassenbewusstsein verhelfen.

Der Versuch, «massentauglich» zu sein, ist die Suche nach einer Abkürzung, die es nicht gibt. Es ist Opportunismus: Die Anpassung ans bestehende System und seine reaktionären Vorurteile. Wer sich darauf beschränkt, den Arbeitern nur zu präsentieren, was die Mehrheit von ihnen ohnehin schon weiss, ist dem Befreiungskampf nicht die geringste Hilfe. 

Das revolutionäre Programm kann nur unbiegsam, ohne Verwässerung, verteidigt werden, wenn sich die vorderste, die bewussteste und aktivste Schicht der Arbeiterklasse zusammenschliesst. Das revolutionäre Programm braucht eine straffe Organisation der Revolutionäre, kein loses Netzwerk von passiven Sympathisanten. Das ist der einzige Weg, die revolutionären Kräfte aufzubauen: 

«Beginnen wir mit einer festgefügten Organisation der Revolutionäre, so werden wir die Widerstandsfähigkeit der Bewegung als Ganzes sichern… Beginnen wir aber mit der der Masse der angeblich ‚zugänglichsten‘, breiten Arbeiterorganisation, so werden wir weder diese [Reformen] noch jene [Revolution] Ziele verwirklichen.»

Was tun?, Kapitel 4c

Partei der «Avantgarde»

Die revolutionäre Partei ist die Partei der aktiven, klassenbewussten Minderheit der Arbeiterklasse. Dem kleinbürgerlichen Moralisten gilt die Vorstellung einer solchen «Avantgardepartei» als elitär oder gar autoritär. Aber sie basiert auf der simplen Anerkennung der Realität, wie sich der Klassenkampf und das Bewusstsein der Arbeiterklasse entwickeln: Die Arbeiterklasse ist nicht homogen. Nicht alle Schichten der Arbeiterklasse treten gleichzeitig in den Kampf, nicht alle Schichten kommen zum gleichen Zeitpunkt zu revolutionären Schlussfolgerungen. 

Wer gewisse Schlussfolgerungen gezogen hat – zum Beispiel, dass die Kapitalisten und die Arbeiter unvereinbar entgegengesetzte Interessen haben oder dass der heutige «demokratische» Staat in Wahrheit die Diktatur der Banken und Konzerne ist – ist in der Entwicklung des Klassenbewusstseins weiter fortgeschritten als der heutige Durchschnitt. 

Das ist kein moralisches Urteil. Es ist eine Tatsache. Aber mit dieser Einsicht kommt auch die Pflicht, den nächsten Schichten ihrer Klasse zu helfen, die lähmenden und verwirrenden bürgerlichen Vorurteile abzustreifen und ihnen zur klaren Sicht auf die eigene Rolle in der Geschichte zu verhelfen.

In der heutigen Situation gärt es in allen Gesellschaftsklassen. Breiteste Schichten der Arbeiterklasse verlieren das Vertrauen in die etablierten Parteien, in die Institutionen und mehr und mehr in das gesamte kapitalistische Wirtschaftssystem. Und dennoch: Sie würden dem kommunistischen Programm – dass die Krise nur gelöst werden kann, wenn sie selbst die Kapitalisten in einer Revolution stürzen und eine sozialistische Planwirtschaft aufbauen – heute noch nicht zustimmen, geschweige denn dafür aktiv werden.

Sollten wir deshalb das Programm des Kommunismus aufgeben? Das genaue Gegenteil ist der Fall! In diesem allgemeinen Gärungsprozess gibt es eine besondere Schicht, die weiter fortgeschritten ist. 

Tausende, Zehntausende, sind heute bereit zu kämpfen, und zwar für nichts weniger als das volle kommunistische Programm. Diese Schicht muss heute zusammengeschlossen werden auf der Grundlage eines 100 % revolutionären Programms. Die Revolutionäre Kommunistische Partei gibt sich mit ihrer Gründung die Aufgabe, diese Schicht unter dem stolzen Banner des Kommunismus zu vereinen.

Aber diese Schicht ist nur der Vorbote, nur der vorderste Teil. Ein klares Verständnis der heutigen Krise des Kapitalismus erlaubt uns, mit wissenschaftlicher Sicherheit zu sagen, dass die harte Realität des Kapitalismus bald schon breiteren Schichten die Ohren öffnet für die kommunistischen Ideen. Doch ob die Stimme der Kommunisten dann stark genug sein wird, um das kommunistische Programm zu all diesen offenen Ohren zu tragen? Das hängt zur Gänze davon ab, ob heute die vorderste Schicht organisiert wird!

Kader: Das Gerüst für die Massenpartei 

Der Aufbau dieser Partei kann nicht dem Zufall überlassen werden. Das revolutionäre Programm braucht einen Körper. Es braucht Menschen, die fähig sind, dieses Programm in allen konkreten Fragen anzuwenden, es gegen den Druck der «öffentlichen Meinung» zu verteidigen und in alle Kämpfe und Bewegungen zu tragen.

Das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Die Kommunisten werden bis zur Revolution in der Minderheit sein. Das liegt in der Natur der Sache: Wir haben die gesamte Macht des kapitalistischen Staates, seiner Medien, der Religion, seinem Bildungssystem gegen uns. Der Druck, sich den bürgerlichen Vorurteilen und Lebensweisen anzupassen, ist gigantisch. Alle, die sich in den letzten Monaten mit dem unterdrückten palästinensischen Volk solidarisiert haben, mussten das an ihrem eigenen Leibe erfahren. Alle anderen «linken» Parteien sind vor diesem Druck einfach eingeknickt.

Standfeste Revolutionäre werden nicht als solche geboren. Wir müssen lernen – durch die Erfahrung in der Praxis, aber auch durch die Ausbildung in der mächtigsten revolutionären Theorie: dem Marxismus. Der Marxismus gibt ein tiefes Verständnis der Welt, in der wir leben. Er ist eine Anleitung zum revolutionären Handeln. Wenn wir auf dem Schlachtfeld des Klassenkrieges gegen die höchst-organisierten Kapitalisten siegen wollen, brauchen Revolutionäre einen komplett von der herrschenden Klasse unabhängigen Standpunkt.

Deshalb hat Lenin mit solchem Nachdruck unterstrichen, dass der Weg zu einer kommunistischen Massenpartei nur über gut ausgebildete und erfahrene Revolutionäre geht, die den Marxismus in der Theorie und Praxis gelernt haben. Solche «Kader» bilden das notwendige Gerüst, das felsenfeste Fundament, für den Aufbau einer kommunistischen Massenpartei.

Der Aufbau dieses Gerüsts muss lange vor der Revolution passieren, «denn in der Zeit der Explosionen und der Ausbrüche ist es schon zu spät».4 Es ist der grösste Beweis für die Tiefe von Lenins Verständnis, für seine Voraussicht und beispiellose Konsequenz, dass er diesen Gedanken bereits 1901 klar ausgesprochen und sein ganzes Leben in seine Umsetzung investiert hat.

Wenn die Russische Revolution 1917 siegte, während all die vielen anderen grossen proletarischen Revolutionen, in Deutschland, Spanien, Italien… in tragischen Niederlagen und der blutigen Reaktion endeten, dann liegt der Unterschied genau hier. Lenin und die Bolschewiki waren 1917 bereit. Alle anderen nicht. 

Diese Lektion ist fest verankert in unserer DNA und wird die Arbeit der RKP in der nächsten Periode bestimmen: Die ersten 1’000, 2’000 Kommunisten in der Schweiz müssen organisiert und durch die Praxis und die Theorie des Marxismus gestählt werden. Nur mit einem solchen stabilen Gerüst werden wir in der Lage sein, die nächstgrösseren Schichten fürs kommunistische Programm zu gewinnen, wenn diese in den Kampf treten.

Die revolutionäre Zeitung

In dieser Aufgabe des Parteiaufbaus hat Lenin der revolutionären Zeitung immer eine absolut entscheidende Rolle zugemessen. 1901 erklärte er:

«Unserer Meinung nach muss der Ausgangspunkt der Tätigkeit, der erste praktische Schritt zur Schaffung der gewünschten Organisation, schliesslich der Leitfaden, anhand dessen wir diese Organisation unbeirrt entwickeln, vertiefen und erweitern könnten – die Schaffung einer gesamtrussischen politischen Zeitung sein».

Womit beginnen?

Eine zentralisierte Zeitung (keine verstreuten Lokalblätter) der gesamten russischen Arbeiterbewegung – die Iskra – war das Mittel, um die ideologische, programmatische und organisatorische Zersplitterung zu überwinden.

Eine echte revolutionäre Zeitung schafft ein gemeinsames Verständnis. Sie ist das Gesicht der Partei nach aussen. Sie erlaubt, die revolutionären Ideen und das Programm in alle Betriebe, alle Viertel, alle Schulzimmer und alle Klassenkämpfe zu tragen.

«Die Rolle der Zeitung beschränkt sich jedoch nicht allein auf die Verbreitung von Ideen,» erklärt Lenin, «nicht allein auf die politische Erziehung und die Gewinnung politischer Bundesgenossen. Die Zeitung ist nicht nur ein kollektiver Propagandist und kollektiver Agitator, sondern auch ein kollektiver Organisator.»

Womit beginnen?

In Was tun? veranschaulicht Lenin diese Rolle der Zeitung als «kollektiver Organisator» mit einer kraftvollen Metapher. Die Zeitung sei die «wichtigste Richtschnur», anhand deren wir die Organisation aufbauen:

«Wenn Maurer an verschiedenen Stellen die Steine für einen ungeheuer grossen, noch nie dagewesenen Bau legen, [dann brauchen sie eine «Richtschnur»,] die die richtige Stelle für das Legen der Steine anzeigt, die auf das Endziel der gemeinsamen Arbeit hinweist, die die Möglichkeit gibt, nicht nur jeden Stein, sondern auch jedes Stück Stein zu verwerten, das, sich dem vorhergehenden und dem folgenden einfügend, die letzte Lücke in der vollendeten und allumfassenden Linie schliesst.»

Was tun?, Kapitel 5b

Und in der damaligen Situation, stellte Lenin fest, fehlte es weder an Steinen noch an Maurern: «Nur die allen sichtbare Schnur fehlt.» Das führte dazu, dass die Steine «ganz nutzlos gelegt» wurden. 

Von allen Seiten an die Arbeit

Das trifft zweifellos auf unsere heutige Situation zu. Mehr noch: Unsere Maurer des Kommunismus legen ihre Steine nicht nur unkoordiniert und nutzlos, weil ihnen die gemeinsame Richtschnur fehlt. Die meisten Maurer sind heute arbeitslos und warten überhaupt erst auf ihren Einsatz.

Heute gibt es in der Schweiz Tausende junge Revolutionäre. Sie verstehen sich heute schon als Kommunisten oder drücken in diese Richtung. Sie alle fühlen, dass eigentlich ein gigantischer Bau von nie dagewesenem Ausmass errichtet werden muss: eine kommunistische Massenpartei, die nichts Geringeres vollbringt als die Arbeiterklasse in der Weltrevolution zum Sturz der gesamten Klassenherrschaft und zur Befreiung der Menschheit zu führen. Aber sie alle sind noch isoliert und atomisiert. Und so denkt jeder für sich: «Ich muss etwas tun! Aber was? Wo beginnen? Ich bin ja allein.» 

Was wir heute brauchen, ist genau diese Richtschnur, die uns den Weg und das Endziel unserer gemeinsamen Arbeit aufzeigt. Die revolutionäre Zeitung der Kommunist hat diesen Zweck. Sie macht uns alle zu Teilarbeitern eines grösseren Ganzen, eines gigantischen Baus. Sie gibt jedem Einzelnen von uns die Möglichkeit, unseren Stein beizutragen und sinnvoll an die richtige Stelle zu setzen.

Jeder Einzelne kann besser arbeiten, wenn alle ein gemeinsames Verständnis und einen gemeinsamen Plan haben. Anders als die Anarchisten denken, ist die grösstmögliche Zentralisierung in Wahrheit die Voraussetzung für die energischste «dezentrale» Initiative. Deshalb müssen alle Parteimitglieder und sympathisierenden Arbeiter ihre Erfahrungen und Berichte ihrer Tätigkeit aus allen Ecken und Kämpfen an die Redaktion schicken. Sie müssen zusammengetragen, ausgewertet und verallgemeinert werden. 

So wird der Kommunist mit Tausend Beispielen aufzeigen können, dass wir nicht alleine sind. Diese Zeitung soll zum Sprachrohr der Kommunisten und aller bewussten Arbeiter in der Schweiz werden. Sie wird die besten Berichte aus der alltäglichen Arbeit abdrucken. Sie wird das kommunistische Programm auf die verschiedensten Fragen anwenden und den Kommunisten damit die Waffen für ihre alltägliche Arbeit in die Hand geben. Sie wird unser gemeinsames Vorhaben aufzeigen und die Ergebnisse unserer verschiedenen Tätigkeiten zusammenführen. Das spornt an, unermüdlich von allen Seiten an die Arbeit zu gehen, die zur Revolution führt. 

Mit der Zeitung aufbauen

In der damaligen Situation im zaristischen Russland war politische revolutionäre Arbeit verboten. Zirkel wurden immer wieder durch Polizei-Repression zerstört.

Aber Lenin versicherte, dass die Zeitung den lokalen Zirkeln immer sofort den gemeinsamen Plan und den Umfang der Arbeit aufzeigen wird. Mit einer zentralisierten Zeitung, in der die Fäden aus der ganzen Arbeit zusammenlaufen, muss diese nicht immer wieder bei null angefangen werden, wenn ein Zirkel auffliegt: «2-3 energische Menschen genügen, um innerhalb von wenigen Wochen neue Zirkel von Jugendlichen aufzubauen.»5

Heute droht die Polizeirepression nicht, unsere Zellen regelmässig zu zerstören. Aber der Gedanke dahinter ist Tausend Mal wahr. Der Kommunist soll dir und allen ermöglichen, mit 2-3 energischen Menschen neue Gruppen an neuen Orten, Betrieben oder Schulen aufzubauen. Alles, was du brauchst, ist die revolutionäre Zeitung. Sie ist die Partei in deinem Rucksack.

Arbeitest du kontinuierlich mit ihr, trittst mit ihren Positionen nach aussen, organisierst Diskussionen um die Inhalte, inspirierst dich von den Berichten, schickst deine eigenen Beiträge ein, so garantieren wir, wirst du dich zu einem klassenbewussten revolutionären Kader entwickeln, der überall Zellen aufbauen kann, der lernen wird, selbständig die neuen Situationen zu bewerten und in sie einzugreifen.

Mit der Arbeiterzeitung zur Massenpartei

Das alles blieb nicht in Lenins Absichtserklärungen und auf den papiernen Seiten von Was tun? Die bolschewistischen Zeitungen, die Iskra und ihre Nachfolge-Organe, haben in der Geschichte des Bolschewismus tatsächlich diese zentrale, leitende Rolle für den Aufbau der Partei gespielt.

Die revolutionäre Organisation entwickelt sich über alle Stufen hinweg mit der Zeitung, durch die Zeitung, anhand von ihr. Auf jeder Stufe der Entwicklung der Organisation erlangte die Zeitung eine höhere Frequenz und eine grössere Verbreitung.

Die Bolschewiki haben es geschafft, mit ihren Zeitungen ein Netzwerk von Zellen zu schaffen, die durch ein gemeinsames Verständnis vereint und selbst fähig sind, auf dem Terrain die revolutionäre Arbeit zu machen. Auf dem Höhepunkt der vorrevolutionären Phase 1912-14 verkaufte die Prawda 40-60 Tausend Stück… täglich! Etwa die Hälfte davon auf den Strassen, die andere innerhalb der Fabriken. 

Sie wurde kollektiv gelesen und überall diskutiert. Das ist das Zeugnis der Verankerung, der Verschmelzung der Bolschewiki mit der Avantgarde der Arbeiterklasse. Die Prawda war der «kollektive Organisator» der Partei. Durch die Zeitung hatten sie ein Netz von Verbindungen und Korrespondenten in allen Fabriken aufgebaut.

Durch die Zerrüttung des Ersten Weltkriegs wurden die Bolschewiki zurückgeworfen. Aber die Arbeiterbolschewiki waren durch Jahre der Schule der Iskra und der Prawda gegangen. Sie waren ausgebildet in den Ideen und Methoden Lenins und damit zu selbständigem Denken fähig. Das konnte niemals zerstört werden. 

Diese anfangs 1917 nur 8’000 klassenbewussten Bolschewiki waren das notwendige Gerüst, um im Revolutionsjahr nach und nach, durch geduldiges Erklären, erst die Avantgarde der Arbeiterklasse, dann die überwältigende Mehrheit der Arbeiterklasse und schliesslich die Bauern fürs revolutionäre Programm zu gewinnen.

Das ist die Tradition des Bolschewismus, die wir verteidigen. Wenn die Kämpfer der Revolutionären Kommunistischen Partei diese Lektionen absorbieren und verinnerlichen, wenn sie lernen, sie selbständig jeden Tag und überall anzuwenden und energisch in die Praxis umzusetzen, werden wir gemeinsam die ersten Steine legen können, um mit der weltweiten Arbeiterklasse den gigantischsten und schönsten Bau in der Geschichte der Menschheit zu errichten.

  1. Lenin, Womit beginnen?, 1901 ↩︎
  2. Lenin, Was tun?, 1902, Kapitel 3a ↩︎
  3. Ebd. ↩︎
  4. Womit beginnen? ↩︎
  5. Was tun?, Kapitel 5c ↩︎