Es gibt unzählige Lügen und Verleumdungen, die von den Feinen der Arbeiterklasse erfunden wurden, um Lenin und die Idee der Revolution im Allgemeinen zu diskreditieren.

Wir denken, dass es an der Zeit ist, die Dinge richtig zu stellen.

Im Folgenden Artikel sind kurze Antworten auf einige der häufigsten Lügen über Lenin zu finden. Alle Antworten sind längeren Artikeln und Büchern entnommen, die unten verlinkt sind.

Mythen

War Lenin ein Diktator?

Lenin wird oft fälschlicherweise als brutaler Diktator dargestellt, der seine eigenen grossen Pläne gegen den Willen der Menschen in seiner Umgebung verfolgte. Dies könnte jedoch nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Lenin verteidigte stets die Diskussionsfreiheit innerhalb der Partei und hatte nie Angst, mit seiner Meinung in der Minderheit zu sein. Nur auf dieser Grundlage konnte Lenin Unterstützung für seine Ideen gewinnen.

Lenin besass zweifellos Autorität. Jedoch nicht die Art von Autorität, welche durch das Schwingen eines grossen Stockes erlangt werden kann. Nein, Lenin besass etwas viel Mächtigeres: eine politische und moralische Autorität. Nichts weniger als die Macht der Ideen besass er. Lenin war der theoretische Anker für die Bolschewiki. Jede Frage, jede Meinungsverschiedenheit diente dazu, das politische und theoretische Niveau der Partei für die zukünftigen Aufgaben zu heben.

Die Einschränkung der Konterrevolution

Einige Gegner Lenins verweisen gerne auf das Verbot rivalisierender linker Gruppierungen (zum Beispiel die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre) als Beweis für Lenins vermeintliche diktatorischen Züge. In Wirklichkeit waren die Massnahmen der Bolschewiki unter den Bedingungen des Bürgerkriegs nach der Revolution nicht nur gerechtfertigt, sondern auch vergleichsweise mild.

Die Bolschewiki waren in der Anfangsperiode sehr nachsichtig und liessen konterrevolutionäre Generäle frei. Jedoch brachen diese Generäle ihre Versprechen und führten erneut einen Krieg gegen die Roten. Dies führte dazu, dass Lenin 1918 erschossen wurde und Trotzkis Zug beinahe in die Luft gesprengt wurde.

Dadurch sahen sich die Sowjets gezwungen, zurückzuschlagen und den roten Terror als Selbstverteidigungsmassnahme zu starten. Der Bürgerkrieg dauerte von 1918 bis 1920 und forderte schreckliche Opfer und Zerstörung. Während des Bürgerkriegs wurden die bürgerlichen Parteien, darunter die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre, verboten. Der Grund dafür war, dass diese Gruppen die Konterrevolution offen unterstützten. In gleicher Weise verbot Grossbritannien im Zweiten Weltkrieg die British Union of Fascists und inhaftierte Oswald Mosley.

Diskussionsfreiheit unter Lenin

Die bolschewistische Partei war äusserst demokratisch und hatte ein reges Innenleben. Sie genossen ein Mass an Freiheit, das den Historiker E. H. Carr zu der Bemerkung veranlasste, dass diese Freiheit kaum von einer anderen Partei der Welt erreicht wurde. Unter Lenin konnten sich die Fraktionen der Partei ohne Bedenken äussern und Debatten führen, aber dennoch Genossen bleiben. Es war eine Schule der harten Schläge, aber nicht mehr.

Lenin hatte nie Angst davor, in der Minderheit zu sein, was bei einigen Gelegenheiten der Fall war. Im April 1917 war er in der Partei zunächst in der Minderheit und musste einen Kampf um seine Ideen führen. In den heftigsten Diskussionen in der Partei über die Verhandlungen zum Ende des Ersten Weltkriegs war Lenin im Zentralkomitee und sogar in der Basis meist in der Minderheit. Dies zeigt, wie demokratisch die interne Ordnung der bolschewistischen Partei war.

Die Demokratie der bolschewistischen Partei wurde später durch Stalin und die entstehende stalinistische Bürokratie zerstört. Diese Bürokraten setzten der Demokratie im Staat und in der Partei ein Ende. Die Partei wurde durch Stalin in einen stalinistischen Monolithen verwandelt, in dem jeder Widerspruch unterdrückt wurde. Lenin versuchte mit aller Kraft gegen diese bürokratische Entartung zu kämpfen. Gemeinsam mit Trotzki führte er seinen letzten politischen Kampf gegen Stalin und den Aufstieg der Parteibürokratie. Seine letzten Texte waren ein Versuch, der Gefahr der bürokratischen Entartung und dem Aufkommen diktatorischer Methoden innerhalb der Partei zu begegnen.

Quellen

  • Happy Birthday Lenin! The great fighter and teacher of Marxism ~Rob Swell
  • Once Again: In Defence of Lenin – reply to Orlando Figes ~Alan Woods

Hat Lenin Gräueltaten im Bürgerkrieg begangen?

Viele Kapitalismus-Verteidiger und rechte Propagandisten verbreiten die Verleumdung, Lenin sei für unzählige Tote und unnötige gewalttätige Ausschreitungen während des Bürgerkriegs nach der Russischen Revolution verantwortlich.

Diese Behauptung ist einerseits unwahr, andererseits ignoriert sie bequemerweise die zahllosen unnötigen Todesfälle, welche durch imperialistische Kriege im Kapitalismus verursacht wurden (und immer noch werden).

Es wird viel Lärm um den sogenannten roten Terror und die gewaltsamen Mittel gemacht, welche die Revolution einsetzte, um sich zu verteidigen. Dabei wird gerne vergessen, dass die eigentliche Oktoberrevolution praktisch friedlich verlief. Das eigentliche Blutbad fand im Bürgerkrieg statt, als die Sowjetrepublik von 21 ausländischen Armeen überfallen wurde. Die Bolschewiki erbten ein zerstörtes Land und eine zerschlagene Armee. Sie sahen sich sofort mit einer bewaffneten Rebellion reaktionärer Offiziere und später mit ausländischen Interventionsarmeen konfrontiert. Zu einem bestimmten Zeitpunkt war die Sowjetmacht auf nur zwei Provinzen reduziert. Dennoch gelang es den Bolschewiki, die Konterrevolution zurückzuschlagen.

Krieg ist zwangsläufig mit Gewalt verbunden und der Bürgerkrieg mehr als jeder andere. Der schwache und umkämpfte Arbeiterstaat war gezwungen, sich mit der Waffe in der Hand zu verteidigen oder sich der Barmherzigkeit der weissen Armee zu ergeben, welche wie alle konterrevolutionären Armeen der Weltgeschichte, dafür bekannt, die bestialischsten und blutrünstigsten Methoden anwandte, um die Arbeiterklasse und die Bauern zu terrorisieren. Hätten sie gesiegt, hätte dies ein Meer von Blut bedeutet.

Kapitalistische Heuchelei

Während rechte Heuchler zu den schrecklichen Kriegsverbrechen, welche im Namen des Kapitalismus und des Imperialismus begangen wurden (und immer noch werden), schweigen, sind sie die lautstärksten Kritiker jeder einzelnen Aktion der Bolschewiki während des Bürgerkriegs.

Auf all die heuchlerischen Angriffe gegen die Bolschewiki wegen des sogenannten roten Terrors gibt es eine sehr einfache Antwort. Selbst die demokratischste kapitalistische Regierung der Welt wird niemals die Existenz von bewaffneten Gruppen dulden, die versuchen, die bestehende Ordnung mit gewaltsamen Mitteln zu stürzen. Solche Gruppen werden sofort geächtet und ihre Anführer ins Gefängnis gesteckt oder hingerichtet. Dies wird als völlig rechtmässig und akzeptabel angesehen. Die gleichen Massstäben werden jedoch nicht an die angeschlagene bolschewistische Regierung angewandt, welche ums Überleben kämpfte und von allen Seiten von Feinden angegriffen wurde. Die Heuchelei wird noch widerlicher, wenn man bedenkt, dass genau diese “demokratischen” westlichen Regierungen die Militäroffensive gegen die Bolschewiki zu dieser Zeit organisierten.

Tatsächlich war es die Intervention eben dieser westlichen Regierungen, welche die Bolschewiki dazu zwang, sich mit gewaltsamen Methoden zu verteidigen. Im Januar 1920 wurde mit der Zustimmung von Lenin und Trotzki die Todesstrafe im ganzen Land abgeschafft. Doch innerhalb von drei Monaten änderte sich die Lage erneut. Mit der Unterstützung Grossbritanniens und Frankreichs griff das reaktionäre polnische Regime von Pilsudski Sowjetrussland an. Die Revolution war in tödlicher Gefahr, sodass die Todesstrafe wieder eingeführt werden musste.

Nur ein Heuchler würde einem Volk das Recht absprechen, sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Gefahr einer blutigen Konterrevolution zu verteidigen. Wenn man natürlich der Meinung ist, dass es für die Massen besser ist, einfach die andere Wange hinzuhalten und die Unterdrückung sanftmütig hinzunehmen, dann muss man die Methoden der Bolschewiki natürlich verurteilen. Eine solche Philosophie kann nur bedeuten, dass jedes reaktionäre Regime, das je existiert hat, dauerhaft akzeptiert werden würde. Sie würde in der Tat den Prozess des sozialen Fortschritts im Allgemeinen ausschliessen. Nicht Moral oder Menschenliebe, sondern nur die feige Verteidigung des Status quo, d. h. der Herrschaft der Ausbeuter, ist das wahre Motiv derjenigen, die die Oktoberrevolution verleumden, weil sie sich verteidigt hat.

Quellen

  • Russia: From Revolution to Counter-Revolution ~Ted Grant

War die Oktoberrevolution ein Putsch?

Der Mythos, dass die Oktoberrevolution ein “Staatsstreich” war, wird oft benutzt, um die Unterstützung zu verschleiern, welche Lenin und die Bolschewiki damals in der Bevölkerung gewonnen hatten. Ohne die massgebliche Beteiligung der Massen hätten die Bolschewiki 1917 niemals die Macht übernehmen und halten können.

Die Revolution dauerte neun Monate, in denen die bolschewistische Partei mit den demokratischsten Mitteln die entscheidende Mehrheit der Arbeiter und armen Bauern für sich gewinnen konnte. Ohne die Unterstützung der überwältigenden Mehrheit der Gesellschaft hätten sich die Bolschewiki nicht an der Macht halten können. In jeder Phase spielte das aktive Eingreifen der Massen die entscheidende Rolle. Das hat dem ganzen Prozess einen Stempel aufgedrückt. Die herrschende Klasse und ihre politischen und militärischen Vertreter konnten nur mit den Zähnen knirschen, waren aber machtlos, wenn es darum ging zu verhindern, dass ihnen die Macht aus den Händen glitt. Sie waren zwar in ständige Verschwörungen gegen die Revolution verwickelt, einschliesslich des bewaffneten Aufstandes von General Kornilov, der auf die Errichtung einer Militärdiktatur abzielte, aber all dies scheiterte an der Bewegung der Massen.

Die Tatsache, dass die Massen die Bolschewiki unterstützten, wurde damals von allen akzeptiert, auch von den entscheidendsten Gegnern der Revolution. Natürlich führten sie dies auf alle möglichen bösartigen Einflüsse, “Demagogie”, die Unreife der Arbeiter und Bauern, ihre angebliche Unwissenheit und all die anderen Argumente zurück, die sich im Wesentlichen gegen die Demokratie selbst richten. Wie es dazu kam, dass die Massen erst unwissend und unreif wurden, als sie begannen, die Bolschewiki zu unterstützen, muss eines der grössten Rätsel sein, das es je gab.

Die Rolle der Sowjets

Die Russische Revolution war kein Putsch einer winzigen Minderheit, sondern wurde von der grossen Zahl der in den Sowjets organisierten Arbeiter getragen. Diese waren 1917 die eigentlichen Organe der Demokratie. Viele behaupten, die Bolschewiki hätten einen Putsch angeführt, in dem sie auf die Auflösung der konstituierenden Versammlung verweisen. Dies ignoriert jedoch die Tatsache, dass die wirkliche demokratische Macht nicht bei den überholten Institutionen der kapitalistischen “Demokratie” lag, sondern bei den Sowjets.

Das Wort Sowjet bedeutet Rat oder auch Versammlung. Sowjets wurden ursprünglich in der Revolution von 1905 in Russland eingeführt und 1917 als Verteidigungsorganisation der Arbeiterklasse neu gegründet. Ihre informelle und flexible Form hing von den Bedürfnissen und dem Entwicklungsstand des Klassenkampfes ab. In der Regel wählten die Arbeiter und Mitglieder der örtlichen Gemeinschaft Delegierte aus ihrem eigenen Betrieb oder ihrer Gemeinde aus, um an den lokalen Sowjets teilzunehmen, welche über revolutionäre Fragen debattierten und die Beschlüsse dann in Praxis umsetzten. Die Erfahrung über den Aufbau von Sowjets ermöglichte eine enorme Entwicklung des politischen Bewusstseins der Arbeiter.

Die Sowjets konnten ihre Delegierten jederzeit abberufen, wenn sie mit ihnen unzufrieden waren. Wie Lenin sagte:

“Alle bürokratischen Formalitäten und Beschränkungen verschwinden aus den Wahlen und die Massen bestimmen selbst über die Reihenfolge und den Zeitpunkt der Wahlen mit dem freien Recht der Abberufung der Gewählten.”

Die Sowjets waren die wirklichen Machtorgane, welche die Arbeiter selbst geschaffen hatten, welche direkt von den Betrieben gewählt wurden und wirklich die Wünsche und Macht der Arbeiterklasse widerspiegelten. Die Kapitalisten konnten nicht einbezogen werden, da sie niemals überhaupt versuchten, sich an den Sowjets zu beteiligen. Damit das Sowjet-System das sein konnte, was es sein sollte – das demokratischste System, das je geschaffen wurde, musste es sich ausschliesslich auf den lebendigen Kampf der Massen gegen die Ausbeuter schützen.

Die erste Arbeiterregierung, die 1917 aus diesem Prozess hervorging, war eigentlich eine Koalition zwischen den Bolschewiki und den linken Sozialrevolutionären (SRs). Zu diesem Zeitpunkt nahmen alle diese Parteien – sowohl die linken als auch die rechten SR, alle Menschewiki usw. – an den Sowjetwahlen teil, wurden in den Sowjetkongress gewählt und konnten ihre Schriften frei veröffentlichen.

Im Laufe der Kämpfe des Bürgerkriegs, der Mitte 1918 Begann, wurde jedoch viele dieser Freiheiten eingeschränkt. Diese anderen Parteien bewaffneten sich gegen das Regime, sie verbündeten sich mit den imperialistischen Regierungen im Bürgerkrieg, welcher zu vielen Toten und grossem Leid führte. Sie zu behandeln, als würden sie sich in einem Gentleman-Diskussionsclub befinden, wäre unmöglich gewesen.

Nachdem die konstituierende Versammlung in ihrer ersten Sitzung am 18. Januar 1918 die Resolution der Bolschewiki, die Macht der Sowjets als souverän anzuerkennen, abgelehnt hatte, hörte die Versammlung, die im Wesentlichen ein bürgerliches Parlament war, einfach auf zu existieren, als ihre Wächter erklärten, sie seien zu müde, um sie offenzuhalten. Mit anderen Worten: Die wirkliche materielle Macht lag bei den Sowjets.

Ein “Putsch” erklärt nichts

Die Vorstellung, dass die Bolschewiki einen Putsch durchgeführt haben, ist völlig unzureichend, um die tatsächlichen Ereignisse von 1917 zu erklären.

Ohne die grundlegende Rolle der Massen zu sehen, ist es unmöglich zu verstehen, was 1917 geschah. Zum ersten Mal in der Geschichte gelang es der Arbeiterklasse tatsächlich, die Macht zu übernehmen und zumindest die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft einzuleiten. Gerade deshalb sehen sich die Feinde des Sozialismus gezwungen, über die Oktoberrevolution zu lügen und sie zu diffamieren. Sie können Lenin und den Bolschewiki nicht verzeihen, dass es ihnen gelungen ist, die erste erfolgreiche sozialistische Revolution anzuführen, dass sie bewiesen haben, dass so etwas möglich ist, und damit den Weg für künftige Generationen aufgewiesen haben. Ein solcher Präzedenzfall ist gefährlich! Es muss also “bewiesen” werden, dass alles ein sehr schlechtes Geschäft war, das sich nicht wiederholen darf.

Die Behauptung, die Oktoberrevolution sei nur ein Putsch gewesen, wird oft mit dem Hinweis auf die relativ geringe Zahl der tatsächlich am Aufstand Beteiligten begründet. Dieses scheinbar fundierte Argument hält einer genaueren Prüfung stand. Erstens verwechselt es den bewaffneten Aufstand mit der Revolution. Der Aufstand ist in Wirklichkeit nur ein Teil der Revolution – ein sehr wichtiger Teil, das stimmt. Tatsächlich waren die Kämpfe, die in Petrograd stattfanden, minimal. Sie waren sozusagen unblutig. Der Grund dafür war, dass neun Zehntel der Aufgaben bereits im Vorfeld erfüllt wurden, indem die entscheidende Mehrheit der Arbeiter und Soldaten gewonnen wurde. Um den Widerstand der alten Ordnung zu überwinden, war zwar der Einsatz von Waffengewalt notwendig, da keine herrschende Klasse jemals kampflos ihre Macht abgegeben hat. Aber der Widerstand war minimal. Die Regierung stürzte wie ein Kartenhaus zusammen, weil niemand bereit war, sie zu verteidigen.

Quellen

  • *Bolshevism: The Road to Revolution ~*Alan Woods
  • Workers’ democracy in the Russian Revolution ~ Daniel Morley

War die UdSSR für 100 Millionen Tote verantwortlich?

Ein bekannter Mythos, der verbreitet wird, um Lenin und den Kommunismus im Allgemeinen zu diskutieren, ist die Behauptung, dass 100 Millionen Menschen von kommunistischen Regimen getötet wurden. Diese unzusammenhängende und unbegründete Zahl hat sich bei vielen Gelegenheiten als falsch erwiesen, wie in diesem Eintrag aus Top 10 Lügen über die bolschewistische Revolution, der 2017 veröffentlicht wurde, ausführlich erläutert wird.

Diese Behauptung basiert auf dem Schwarzbuch des Kommunismus, das von Stephane Courtois 1998 verfasst wurde. Es wurde weithin als parteiisch, mit fragwürdiger Methodik und heuchlerischen Kriterien entlarvt. Sogar einige der Hauptautoren kritisierten das Buch, indem sie sagten, Courtois sei davon besessen, die Zahl von 100 Millionen mit allen Mitteln zu erreichen, und diese Zahl sei nicht haltbar…

Wer trägt die Verantwortung für die Toten des russischen Bürgerkriegs? Ist der Bürgerkrieg die Schuld der Masse an Arbeitern und Bauern, die ein Ende des Ersten Weltkriegs, Land für die Bauern, Selbstbestimmung für unterdrückte Nationalitäten und Sozialismus wollten? Oder ist es die Schuld der Generäle der Weissen Armee, der Grossgrundbesitzer, der Bosse, der Monarchisten und der 21 ausländischen Interventionsarmeen, welche die Wünsche der Mehrheit nicht akzeptiert haben? Es ist wie bei einem Überfall von Banditen auf ein Haus, bei dem es auf beiden Seiten Tote gibt: Wessen Schuld ist das? Die Reaktionäre antworten, dass die Hausbesitzer schuld sind, da niemand verletzt worden wäre, wenn sie sich einfach ergeben hätten. Genauso gut könnte man Abraham Lincoln die Schuld für alle Todesfälle während des amerikanischen Bürgerkriegs geben, der die Sklaven befreite. In Bezug auf die Bevölkerung wurde pro Kopf eine ähnliche Anzahl Menschen getötet.

Selbst die Angriffe auf die Stalinisten sind heuchlerisch. So macht das Buch die Sowjetunion beispielsweise für 1,5 Millionen Tote in Afghanistan verantwortlich, die praktisch alle während des sowjetfreundlichen Regimes starben. Dabei wird jedoch vergessen, dass die CIA die aufständischen Mudschaheddin in einem langwierigen Guerillakrieg mit Raketenwerfern und anderen modernen Waffen ausrüstete und finanzierte. Es wird auch vergessen, dass zu diesen Mudschaheddin “Freiheitskämpfer” wie Osama bin Laden gehörten und dass sie sich in den 1990er Jahren in Taliban umbenannten. Wer war also für die Todesfälle verantwortlich?

Ein Ereignis, das häufig mit den 100 Millionen Toten in Verbindung gebracht wird, ist die sowjetische Hungersnot von 1932 bis 1933, der sogenannte Holodomor. Das Schwarzbuch listet 4 Millionen Tote in der Ukraine und 2 Millionen in anderen Teilen der UdSSR. Das rechtsnationalistische ukrainische Regime stuft diese Hungersnot als Völkermord ein, und sie wird oft für politische Zwecke genutzt, um die nationalistische Sache zu stärken. Marxisten sind die Letzten, die die Stalinisten für diese Hungersnot verteidigen. Sie waren das Ergebnis von Stalins verbrecherischer Politik der Zwangskollektivierung. Trotzki analysierte dies in seinem antistalinistischen Meisterwerk “Die verratene Revolution”. Wir akzeptieren jedoch auch nicht die antikommunistische Opferrolle der ukrainischen Nationalisten. Die Wahrheit ist, dass Stalin in den 1920er Jahren, um Trotzkis Linke Opposition zu besiegen, auf die Kulaken setzte, die durch die “Neue ökonomische Politik” bereichert wurden. Die Linke Opposition forderte eine Politik der freiwilligen Kollektivierung des Bodens, um die Bauern von den Vorteilen des Sozialismus zu überzeugen. Doch sobald Trotzkis proletarische Strömung besiegt war, drohten die Kulaken mit einer Rückkehr zum Kapitalismus. Dies gefährdete die Privilegien der Bürokratie. Stalin änderte daher seine Position um 180 Grad und wandte sich gegen die Kulaken. Anstelle der freiwilligen Kollektivierung führte er die Zwangskollektivierung ein, mit dem Ziel, “die Kulaken als Klasse zu liquidieren”. Diese irrsinnige Politik führte dazu, dass die reichen Bauern das Saatgut und das Vieh konsumierten, anstatt es zu bewirtschaften. Dies führte zu einer Hungersnot. Die Ukraine war davon besonders betroffen, da sie die Kornkammern des Zarenreichs war. Die Hungersnot hatte jedoch auch erhebliche Auswirkungen ausserhalb der Ukraine. Die Fakten stützen die nationalistische Behauptung eines Völkermords definitiv nicht. Doch es waren von Anfang an die Trotzkisten, die gegen diese Hungersnot kämpften.

Heuchelei und Doppelmoral

Während es schon schlimm genug ist, dass die Todesopfer fälschlicherweise dem Feindbild „Kommunismus“ zugeschrieben werden, ignorieren diejenigen, die diesen Mythos verbreiten, auch konsequent die unzähligen Opfer der kapitalistischen Brutalität. Der Artikel stellt fest: Die heuchlerische Methodik des “Black Books” würde bei konsequenter Anwendung auf den Kapitalismus zu einer Zahl in Milliardenhöhe führen. Noam Chomsky, kein Anhänger des Stalinismus oder Maoismus, hat diese Analyse durchgeführt, um Indien mit China zu vergleichen. Aufgrund der geringeren Ungleichheit und der besseren Verteilung der medizinischen Ressourcen in der chinesischen Planwirtschaft lag die Zahl der überzähligen Todesfälle in Indien bis 1979 bei 100 Millionen (Tendenz steigend!). Was ist mit der Dezimierung der indigenen Bevölkerung in Nord- und Südamerika? Der kapitalistische Sklavenhandel in Afrika? Die Auswirkungen des Imperialismus auf der ganzen Welt?

Winston Churchill selbst trägt eine Hauptverantwortung für die Hungersnot in Bengalen im Jahr 1943, bei der Millionen Menschen starben. Während der Hungersnot exportierte das britisch kontrollierte Indien Nahrungsmittel, und Churchill wurde mit den Worten zitiert: „Ich hasse die Inder. Sie sind ein bestialisches Volk mit einer abscheulichen Religion.“ Ganz zu schweigen von den Millionen und Abermillionen, die in Kriegen für Profit und aus imperialistischen strategischen Erwägungen sterben. Über eine Million Tote allein im Irak, plus die Weltkriege und die ständigen “Kleinkriege”.

Im März 2017 schätzte UNICEF, dass bis zum Jahr 2040 600 Millionen Kinder von Tod, Krankheit und Unterernährung bedroht sind, wenn die aktuellen Trends anhalten. In früheren Berichten haben sie detailliert beschrieben, wie Millionen von Kindern jedes Jahr an denselben vermeidbaren Ursachen sterben, während die acht grössten Milliardäre genauso viel besitzen wie die ärmste Hälfte der Menschheit. Gemessen daran haben Kapitalismus, Imperialismus und Kolonialismus eine ganze Bibliothek von „Black Books“ hervorgebracht. Es ist höchste Zeit, dass die Menschheit diesem sozialen System, das aus allen Poren blutet, den Kampf ansagt.

Scheiterte der Kommunismus in der Praxis?

Als die Sowjetunion zusammenbrach, feierten die Gegner des Kommunismus dies als endgültigen Beweis dafür, dass der Marxismus und die Wirtschaftsplanung widerlegt worden waren. In Wirklichkeit war der Zusammenbruch der UdSSR jedoch kein Beweis für das Scheitern des Kommunismus, sondern vielmehr für die monströse bürokratische Karikatur des Kommunismus, die sich nach Lenins Tod entwickelte. Wie Trotzki meisterhaft gezeigt hat, hat der Stalinismus nichts mit echtem Kommunismus gemein, sondern lebt parasitär von den Errungenschaften der Planwirtschaft, bis nichts mehr von ihr übrig ist.

In den 1920er Jahren schrieb Trotzki ein kleines Buch mit dem Titel: Towards Socialism or Capitalism? Das war immer die entscheidende Frage für die UdSSR. Die offizielle Propaganda war, dass sich die Sowjetunion unaufhaltsam auf die Verwirklichung des Sozialismus zubewegte. In Wahrheit aber bewegte sich die Sowjetunion in eine ganz andere Richtung.

Der Prozess hin zum Sozialismus sollte eine allmähliche Verringerung der Ungleichheit bedeuten. Doch in der Sowjetunion nahm die Ungleichheit ständig zu. Ein Abgrund tat sich auf zwischen den Massen und den Millionen privilegierter Beamter und ihrer Frauen und Kinder mit ihren schicken Kleidern, grossen Autos, komfortablen Wohnungen und Datschen. Der Widerspruch war noch krasser, weil er im Gegensatz zur offiziellen Propaganda über Sozialismus und Kommunismus stand.

Aus der Sicht der Massen lässt sich wirtschaftlicher Erfolg nicht auf die produzierte Menge Stahl, Zement oder Strom reduzieren. Der Lebensstandard hängt vor allem von der Produktion von Waren ab, die von guter Qualität, billig und leicht erhältlich sind: Kleidung, Schuhe, Lebensmittel, Waschmaschinen, Fernsehgeräte und dergleichen. Aber in diesen Bereichen lad die UdSSR weit hinter dem Westen zurück. Das wäre nicht so gravierend gewesen, wenn nicht nur einige bestimmte Menschen Zugang zu diesen Dingen gehabt hätten, während die meisten dies nicht hatten.

Die parasitäre Bürokratie

Der Grund, warum sich der Stalinismus trotz all der schreienden Widersprüche, die er schuf, so lange halten konnte, war gerade die Tatsache, dass die verstaatlichte Planwirtschaft jahrzehntelang ausserordentliche Fortschritte machte. Doch die erdrückende Herrschaft der Bürokratie führte zu Korruption, Missmanagement, Stümperei und Verschwendung in kolossalem Ausmass. Sie untergrub die Errungenschaften der Planwirtschaft. In dem Masse, in dem sich die UdSSR auf ein höheres Niveau entwickelte, hatten die negativen Auswirkungen der Bürokratie sogar noch schädlichere Folgen.

Die Bürokratie war immer ein Bremsklotz für die Entwicklung der Produktivkräfte. Doch während die Aufgabe des Aufbaus der Schwerindustrie relativ einfach war, kann eine moderne, hochentwickelte Wirtschaft mit ihren komplexen Beziehungen zwischen Schwer- und Leichtindustrie, Wissenschaft und Technologie nicht mit bürokratischer Gewalt gelenkt werden, ohne schwerste Störungen hervorzurufen. Die Kosten für die Aufrechterhaltung der hohen Militärausgaben und die Kosten für die Beibehaltung der Kontrolle über Osteuropa belasteten die sowjetische Wirtschaft zusätzlich.

Trotz der enormen Ressourcen, die ihr zur Verfügung standen, der mächtigen industriellen Basis und der Armee hochqualifizierter Techniker und Wissenschaftler war die Bürokratie nicht in der Lage, die gleichen Ergebnisse zu erzielen wie der Westen. In den entscheidenden Bereichen der Produktivität und des Lebensstandards lag die Sowjetunion im Rückstand. Der Hauptgrund dafür war die kolossale Last, die der sowjetischen Wirtschaft durch die Bürokratie auferlegt wurde – die Millionen gieriger und korrupter Beamter, die die Sowjetunion ohne jegliche Kontrolle durch die Arbeiterklasse führten.

Infolgedessen gerät die Sowjetunion gegenüber dem Westen ins Hintertreffen. Solange sich die Produktivkräfte in der UdSSR weiter entwickelten, war die prokapitalistische Tendenz unbedeutend. Doch die Sackgasse des Stalinismus veränderte die Situation völlig. Mitte der 1960er Jahre stiess das System der bürokratisch kontrollierten Planwirtschaft an seine Grenzen. Dies drückte sich anschaulich in einem starken Rückgang der Wachstumsrate in der UdSSR aus, die in den 1970er Jahren kontinuierlich sank und sich unter Breschnew dem Nullpunkt näherte. Als die Sowjetunion nicht mehr in der Lage war, bessere Ergebnisse als der Kapitalismus zu erzielen, war ihr Schicksal besiegelt.

Quellen

  • What the Russian Revolution achieved and why it degenerated ~Alan Woods

War die Revolution ein Misserfolg, der nichts gebracht hat?

Eines der häufigsten Argumente gegen die Russische Revolution ist, dass sie für die Mehrheit der Menschen nichts gebracht hat. In Wirklichkeit hat die Sowjetunion trotz der strangulierenden Bürokratie, die nach Lenins Tod die Kontrolle übernahm, auf der Grundlage der Planwirtschaft unglaubliche technologische und soziale Fortschritte gemacht.

Die Oktoberrevolution von 1917 brachte den grössten Fortschritt der Produktivkräfte aller Länder in der Geschichte. Vor der Revolution war das zaristische Russland eine extrem rückständige, halb-feudale Wirtschaft mit einer überwiegend analphabetischen Bevölkerung.

Unter erschreckenden Bedingungen wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rückständigkeit begann das von Lenin und Trotzki errichtete Regime der Arbeiterdemokratie die titanische Aufgabe, Russland auf der Grundlage einer verstaatlichten Planwirtschaft aus der Rückständigkeit herauszuführen. Die Ergebnisse sind in der Wirtschaftsgeschichte ohne Beispiel. Innerhalb von zwei Jahrzehnten schuf Russland eine mächtige industrielle Basis, entwickelte Industrie, Wissenschaft und Technik und schaffte das Analphabetentum ab. Es erzielte bemerkenswerte Fortschritte in den Bereichen Gesundheit, Kultur und Bildung. Dies geschah zu einer Zeit, als die westliche Welt in der Grossen Depression von Massenarbeitslosigkeit und dem wirtschaftlichen Zusammenbruch geplagt war.

In einem Zeitraum von 50 Jahren hat die UdSSR ihr Bruttoinlandsprodukt um das Neunfache gesteigert. Trotz der schrecklichen Zerstörung des Zweiten Weltkriegs hat sie ihr BIP von 1945 bis 1979 verfünffacht. Im Jahr 1959 betrug das BIP der UdSSR nur 33 Prozent desjenigen der USA. Im Jahr 1979 lag das BIP bereits bei 58 Prozent. Ende der 1970er Jahre war die Sowjetunion eine gewaltige Industriemacht, die in absoluten Zahlen den Rest der Welt in einer ganzen Reihe von Schlüsselsektoren bereits überholt hatte. Die UdSSR war der zweitgrösste Industrieproduzent der Welt nach den USA und der grösste Produzent von Öl, Stahl, Zement, Asbest, Traktoren und vielen Werkzeugmaschinen.

Arbeitslosigkeit und Inflation

All dies wurde praktisch ohne Arbeitslosigkeit und Inflation erreicht. Eine Arbeitslosigkeit wie im Westen war in der Sowjetunion unbekannt. Sie war sogar rechtlich gesehen ein Verbrechen. Es gibt zwar Beispiele für Fälle, die auf Stümperei zurückzuführen sind, oder dafür, dass die mit den Behörden in Konflikt geraten sind, ihren Arbeitsplatz verlieren. Aber solche Phänomene ergaben sich nicht aus dem Wesen einer verstaatlichten Planwirtschaft und hätten auch nicht existieren müssen. Sie hatten weder etwas mit der zyklischen Arbeitslosigkeit des Kapitalismus noch mit dem organischen Krebsgeschwür gemein, von dem heute die gesamte westliche Welt betroffen ist und das derzeit Millionen von Menschen in den OECD-Ländern zu einem Leben in erzwungenem Müssiggang verdammt.

Darüber hinaus gab es während des grössten Teils der Nachkriegszeit nur eine geringe oder gar keine Inflation. Dies gilt vor allem für die Preise der Grundnahrungsmittel. Vor der Perestroika (Wiederaufbau) waren die Preise für Fleisch und Milchprodukte zuletzt 1962 erhöht worden. Die Preise für Brot, Zucker und die meisten Lebensmittel waren zuletzt 1955 erhöht worden. Die Mieten waren extrem niedrig, insbesondere im Vergleich zum Westen, wo die meisten Arbeitnehmer ein Drittel oder mehr ihres Lohns für die Wohnkosten aufwenden müssen.

Die UdSSR hatte einen ausgeglichenen Haushalt und sogar jedes Jahr einen kleinen Überschuss. Interessanterweise ist es keiner einzigen westlichen Regierung gelungen, dieses Ergebnis zu erreichen, ebenso wenig wie Vollbeschäftigung und Null-Inflation, die es auch in der Sowjetunion gab. Die westlichen Kritiker der Sowjetunion haben darüber sehr geschwiegen, weil dies die Möglichkeiten selbst einer Übergangswirtschaft, geschweige denn des Sozialismus, aufzeigte.

Die Emanzipation der Frauen in der Sowjetunion

Auf der Grundlage der Planwirtschaft wurden ausserdem enorme Fortschritte bei den formalen Rechten der unterdrückten Gruppen erzielt.

Die Oktoberrevolution war ein Meilenstein im Kampf für die Emanzipation der Frauen. Zuvor, im Zarismus, wurden Frauen als blosse Anhängsel des Haushalts betrachtet. Die zaristischen Gesetze erlaubten einem Mann ausdrücklich, Gewalt gegen seine Frau anzuwenden. In einigen ländlichen Gebieten wurden Frauen gezwungen, Schleier zu tragen, und sie durften nicht lesen und schreiben lernen. Zwischen 1917 und 1927 wurde eine ganze Reihe von Gesetzen verabschiedet, welche die formale Gleichstellung der Frauen mit den Männern ermöglichten.

Frauen waren nicht mehr verpflichtet, bei ihren Männern zu leben oder sie zu begleiten, wenn ein Arbeitsplatzwechsel einen Wohnungswechsel bedeutete. Sie erhielten das gleiche Recht, den Haushalt zu führen und bekamen den gleichen Lohn. Die Rolle der Frau als Gebärende wurde berücksichtigt und es wurden spezielle Gesetze zur Mutterschaft eingeführt, die lange Arbeitszeiten und Nachtarbeiten untersagten und bezahlten Urlaub bei der Geburt, Familienhilfen und Kinderbetreuungseinrichtungen vorsahen. 1920 wurde der Schwangerschaftsabbruch legalisiert, die Scheidung vereinfacht und die zivile Registrierung der Ehe eingeführt. Auch das Konzept der unehelichen Kinder wurde abgeschafft. Mit den Worten von Lenin:

“Im wahrsten Sinne des Wortes haben wir von den verabscheuungswürdigen Gesetzen, welche die Frauen gegenüber den Männern in einen Zustand der Minderwertigkeit versetzten, keinen einzigen Stein stehen lassen.”

Es wurden materielle Fortschritte erzielt, um die volle Einbeziehung der Frauen in alle Bereiche des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Lebens zu erleichtern: kostenlose Verpflegung in Schulen, Milch für Kinder, spezielle Lebensmittel- und Kleiderzuschüsse für bedürftige Kinder, Schwangerschaftsberatungsstellen, Geburtshäuser, Kinderkippen und andere Einrichtungen. Mit dem Aufkommen des Stalinismus kam es zwar zu einer Reihe von Gegenreformen im sozialen Bereich, die die Stellung der Frauen drastisch beeinträchtigen. Doch nach dem Tod Stalins ermöglichte das Wirtschaftswachstum der Nachkriegszeit eine stetige allgemeine Verbesserung: Renteneintritt mit 55 Jahren, keine Diskriminierung bei der Entlohnung und den Arbeitsbedingungen sowie das Recht schwangerer Frauen auf leichtere Arbeit mit voll bezahltem Mutterschaftsurlaub von 56 Tagen vor und 56 Tagen nach der Geburt eines Kindes. Durch eine neue Gesetzgebung im Jahr 1970 wurden die Nachtarbeit und die Arbeit unter Tage für Frauen abgeschafft. Der prozentuale Anteil der Frauen an den Hochschulabsolventen stieg von 28 Prozent im Jahr 1927 über 43 Prozent im Jahr 1960 auf 49 Prozent im Jahr 1970. Die einzigen anderen Länder der Welt, in denen der Anteil der Frauen an den Hochschulabsolventen über 40 Prozent lag, waren Finnland, Frankreich und die Vereinigten Staaten.

Die vorschulische Betreuung von Kindern wurde verbessert: 1960 gab es 500’000 Plätze, 1971 waren es bereits fünf Millionen. Die enormen Fortschritte der Planwirtschaft und die damit einhergehenden Verbesserungen im Gesundheitswesen spiegelten sich in der Verdoppelung der Lebenserwartung von Frauen von 30 auf 74 Jahren und in der Verringerung der Kindersterblichkeit um 90 Prozent wider. Im Jahr 1975 war der Anteil der Frauen, die im Bildungswesen tätig waren, auf 73 Prozent gestiegen. Während 1959 ein Drittel der Frauen in Berufen tätig waren, in denen 70 Prozent der Beschäftigten Frauen waren, stieg diese Zahl bis 1970 auf 55 Prozent an. Zu diesem Zeitpunkt waren 98 Prozent der Krankenschwestern, 75 Prozent der Lehrpersonen, 95 Prozent der Bibliotheksangestellten und 75 Prozent der Ärzte Frauen. Im Jahr 1950 gab es 600 weibliche Doktoren der Wissenschaften, 1984 waren es bereits 5’600.

Quellen

  • What the Russian Revolution achieved and why it degenerated ~ Alan Woods

Hätte Russland ohne eine Revolution eine Demokratie sein können?

Dass die Russische Revolution das stürzte, was eine erfolgreiche, liberale, demokratische Regierung hätte werden können, widerspricht den Tatsachen. Nicht nur, dass die in Russland errichteten Organe der Arbeiterdemokratie weitaus demokratischer waren als alles, was die kapitalistische Demokratie jemals hätte erreichen können, der Kurs der provisorischen Regierung von 1917 ging auch nicht in Richtung grösserer Freiheit für die Massen, sondern in Richtung einer gefestigten Autokratie.

Der tatsächliche Zustand der Demokratie in Russland vor der Oktoberrevolution wird in den Top 10 Lügen über die bolschewistische Revolution beschrieben:

“Die erste provisorische Regierung brachte die liberalen Kadetten an die Macht. Wenn Menschen den Liberalismus gewollt hätten, wäre diese Regierung stabil geblieben. Aber die Liberalen konnten dem Volk nicht geben, was es wollte, nämlich: ein Ende des Krieges, Land für die Bauern, Freiheit für die unterdrückten Nationalitäten und Nahrung für die Städte. All dies wurde in der bolschewistischen Parole “Frieden, Land und Brot” zusammengefasst.”

Aufgrund ihrer Unfähigkeit, die Krise in der Gesellschaft zu lösen, stürzte diese Regierung und wurde durch eine Koalitionsregierung zwischen reformistischen Sozialisten und Liberalen ersetzt. Die bürgerlichen Liberalen wiederum waren diskreditiert und wurden durch eine Regierung ersetzt, die fast ausschliesslich auf reformistischen Sozialisten aus den Sowjets bestand, an deren Spitze Kerenski stand. Die Reformisten taten alles in ihrer Macht Stehende, um nicht mit der kapitalistischen Ordnung der Dinge zu brechen, aber folglich konnten sie dem Volk weder Frieden noch Land noch Brot geben.

Die Unfähigkeit der provisorischen Regierung, die verzweifelten Bedürfnisse der Massen zu befriedigen, führte zu einer Welle der Unterstützung für die Sowjets und die bolschewistische Partei. Die Arbeiter und Bauern Russlands hatten aus erster Hand erfahren, wie wenig die kapitalistische Demokratie ihnen zu bieten hatte und wandten sich gegen sie, was die Grundlage für die Oktoberrevolution bildete.

Die Gefahr des Faschismus

In Wirklichkeit waren die konterrevolutionären Kräfte in Russland ohne den Erfolg der Oktoberrevolution viel mehr daran interessiert, sich um einen brutalen Diktator zu scharen, um die Massen zu vernichten, als einen friedlichen Übergang zur kapitalistischen Demokratie zuzulassen:

“Die herrschende Klasse, die Grundbesitzer und Kapitalisten, konnte sich nicht länger auf parlamentarische Manöver verlassen, um ihre Macht zu erhalten. Alle ihre Parteien waren vom Volk abgelehnt worden. Stattdessen griffen sie zu den Methoden eines faschistischen Staatsstreichs unter der Führung von General Kornilov im August 1917. Kornilov wollte nicht nur die sowjetischen Arbeiter massakrieren, sondern auch die provisorische Regierung zerschlagen. Kerensky, der zu Recht um seinen eigenen Kopf fürchtete, liess bolschewistische Gefangene frei, die ihrerseits Kornilovs Putsch vereitelten, indem sie die Petrograder Arbeiter mobilisierten und Agitation unter den Truppen betrieben. Von diesem Zeitpunkt an hingen die “liberale, reformistische” provisorische Regierung in der Luft. Die Masse der Arbeiter und Bauern erwartete von den Sowjets die Lösung ihrer Probleme. Die Bosse, Grossgrundbesitzer und Monarchisten erwarteten von der Kornilovschen Reaktion, dass sie dem Volk eine blutige Lektion erteilen würden, weil es so unverschämt war. Der “Mittelweg” war ausprobiert und von allen Seiten abgelehnt worden. Die einzigen Optionen waren Sozialismus oder Faschismus.”

War die provisorische Regierung demokratisch?

Obwohl sie sich selbst als “demokratische” Alternative zum “autoritären” Kommunismus darstellte, hatte die provisorische Regierung in Russland 1917 absolut kein demokratisches Mandat und keine Unterstützung in der Bevölkerung. Wie der Artikel feststellt:

“In den letzten Tagen der Monarchie erklärten sich diese nicht repräsentativen Personen, zumeist wohlhabende Aristokraten, Geschäftsleute und Professoren, zur ‘Provisorischen Regierung’, obwohl sie über keinerlei demokratisches Mandat – die verfassungsrechtliche Grundlage – verfügten. Die Massen, die sich tatsächlich an der Revolution beteiligten, waren skeptisch, aber leider hatten die Sowjets reformistische Führer gewählt, welche die bourgeoisen Liberalen unterstützten. Das einzige demokratische Mandat der Provisorischen Regierung war das, das ihr von den reformistischen menschewistischen und sozialrevolutionären Parteiführern der Sowjets verliehen wurde. Die Massen unterstützten die Provisorische Regierung nicht, aber zu Beginn des Jahres 1927 hatten sie Vertrauen in die Sowjetführer. So begann die Zeit der Doppelherrschaft, in der die Provisorische Regierung die Macht mit der Exekutive des Sowjets teilte. Dies war die ‘legale’ Ordnung, die durch die Februarrevolution eingeführt wurde.

Im November 1917 errangen die Bolschewiki auf der Grundlage eines wirklich demokratischen Mandats eine grosse Mehrheit in den Sowjets. Dies gab ihnen die Befugnis, ihr Programm, “alle Macht den Sowjets” zu übertragen und Russland von der unpopulären, undemokratischen provisorischen Regierung zu befreien, umzusetzen und die Macht endlich in die Hände der Massen zu legen.


Hat Lenin Religion verboten?

Der Marxismus lehnt jede spirituelle oder theologische Erklärung der Welt kategorisch ab. Das bedeutet jedoch nicht, dass Kommunisten den Menschen die Ausübung ihrer Religion verbieten wollen. Im Gegenteil: Die Bolschewiki haben nach der Russischen Revolution einen wahrhaften säkularen Staat errichtet, in dem die Religion weder in der Politik noch in der Erziehung eine Rolle spielt, sondern frei und ohne Konsequenzen ausgeübt werden kann.

Lenin hat weder erwartet noch gefordert, dass die Religion nach der Revolution sofort verschwindet. Vielmehr würde die geistige Abhängigkeit der Menschen von der Religion allmählich abnehmen, wenn die materiellen Bedürfnisse des Volkes durch den Sozialismus immer vollständiger befriedigt würden. Diese Sichtweise wiederum hat sich nach der Russischen Revolution als richtig erwiesen.

Die Wahrheit über die Einstellung Lenins und der Bolschewiki zur Religion wird in Religion in the Soviet Union, einem 1945 von britischen Trotzkisten veröffentlichten Artikel, dargelegt:

“Der Sowjetstaat verfügte die Trennung von Kirche und Staat und befreite das Bildungssystem von jeglichen kirchlichen Einfluss. Alle Bürger erhielten das Recht, sowohl religiöse als auch antireligiöse Propaganda zu betreiben. Das Eigentum der Kirche wurde beschlagnahmt, aber die Kirchgebäude wurden dem Klerus zur Nutzung überlassen. Die Kirche behielt die Freiheit des Gottesdienstes, der Vereinigung, der Versammlung und der Propaganda…

“Die Kirche funktionierte in der Sowjetunion weiter, aber die Massen hatten sich von ihr abgewandt, vor allem in den Städten. Ihr Unterstützung unter der Jugend war sehr gering, und ihre Hauptbasis lag in den rückständigen Massen, insbesondere in der älteren Generation der Bauern. Der Klerus lebt von den Spenden seiner Anhänger und war vom sowjetischen Leben völlig abgeschnitten. Priester hatten kein Recht, an sowjetischen Wahlen teilzunehmen oder in sowjetische Organisationen gewählt zu werden. Für den klassenbewussten sowjetischen Arbeiter war die Kirche ein Relikt der Vergangenheit, das unter dem Einfluss des steigenden materiellen und kulturellen Niveaus der Massen allmählich verkümmern sollte.

Lenin zu Antisemitismus

Ein deutliches Beispiel für Lenins Haltung zu Religion ist seine Verteidigung des jüdischen Volkes in Russland gegen antisemitische Angriffe. In einer Rede im Jahre 1919 prangerte Lenin den brutalen Antisemitismus des früheren zaristischen Regimes an, das unzählige gewaltsame Pogrome gegen jüdische Gemeinden gefördert hatte und rief stattdessen zu Vertrauen und Einheit zwischen verschiedenen Religionen und Nationalitäten auf:

“Antisemitismus bedeutet, Feindschaft gegen die Juden zu verbreiten. Als die verfluchte zaristische Monarchie ihre letzten Tage erlebte, versuchte sie, unwissende Arbeiter und Bauern gegen die Juden aufzuhetzen. Die zaristische Polizei organisierte im Bündnis mit den Grossgrundbesitzern und Kapitalisten Pogrome gegen die Juden. Die Grundbesitzer und Kapitalisten versuchten, den Hass der von der Not gequälten Arbeiter und Bauern gegen die Juden zu lenken. Auch in anderen Ländern erleben wir oft, dass die Kapitalisten den Hass gegen Juden schüren, um die Arbeiter zu blenden und ihre Aufmerksamkeit vom wahren Feind der Werktätigen, dem Kapital abzulenken. Judenhass gibt es nur in den Ländern, in denen die Sklaverei gegenüber den Grossgrundbesitzern und Kapitalisten zu abgrundtiefer Unwissenheit unter den Arbeitern und Bauern geführt hat. Nur die unwissendsten und unterdrücktesten Menschen können die Lügen und Verleumdungen glauben, die über die Juden verbreitet werden. Dies ist ein Überbleibsel aus alten feudalen Zeiten, als die Priester Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannten, als die Bauern in Sklaverei lebten und als die Menschen unterdrückt waren und sich nicht artikulieren konnten. Diese alte, feudale Ignoranz vergeht; die Augen der Menschen werden geöffnet.

Nicht die Juden sind die Feinde der arbeitenden Menschen. Die Feinde der Arbeiter sind die Kapitalisten in allen Ländern. Unter den Juden gibt es arbeitende Menschen, und sie bilden die Mehrheit. Sie sind unsere Brüder, die wie wir vom Kapital unterdrückt werden; sie sind unsere Kameraden im Kampf für den Sozialismus…

Schande über den verfluchten Zarismus, der die Juden quälte und verfolgte. Schande über diejenigen, die den Hass gegen die Juden schüren, die den Hass gegen andere Nationen schüren.

Es lebe das brüderliche Vertrauen und das Kampfbündnis der Arbeiter aller Nationen, Kampf zum Sturz des Kapitals.”


Waren Lenin und Trotzki Gegner?

Ein weit verbreiteter Mythos, der ursprünglich von Stalinisten nach Lenins Tod verbreitet wurde, behauptet, Lenin und Trotzki seien Gegner gewesen, die sich bis zu Lenins Tod eine erbitterte persönliche politische Fehde geliefert hätten. In Wirklichkeit waren sich Lenin und Trotzki jedoch in allen entscheidenden Fragen ihres Lebens einig in der Verteidigung einer echten marxistischen Position, wobei Lenin im November 1917 erklärte, es gebe “keinen besseren Bolschewiken” als Trotzki.

Von allen Führern der Kommunisten im Jahr 1917 stimmte nur einer mit der von Lenin vertretenen Position völlig überein. Dieser Mann war Leo Trotzki. Als Trotzki zum ersten Mal von der Februarrevolution erfuhr, befand er sich noch im Exil in den Vereinigten Staaten. Sofort schrieb er eine Reihe von Artikeln in der Zeitung Novy Mir (Neue Welt) im März 1917. Auffallend ist die Tatsache, dass, obwohl es keine Kommunikation zwischen Trotzki und Lenin gab, der sich Tausende Kilometer entfernt in der Schweiz aufhielt, der Inhalt dieser Artikel identisch ist mit dem von Lenins Briefen aus der Ferne, die zur gleichen Zeit geschrieben wurden. Diese Briefe Lenins waren für die bolschewistische Führung in Petrograd so schockierend, dass Kamenev und Stalin sie unterdrückten oder in verstümmelter Form veröffentlichen liessen. In einer Zeit, in der sich die “Altbolschewiki” entgegen Lenins ausdrücklichem Rat den Menschewiki annäherten, erschienen ihnen Lenins Ideen als reiner “Trotzkismus”, und sie hatten nicht unrecht. Die Logik der Ereignisse hatten Lenin und Trotzki zusammengeführt. Unabhängig voneinander und aus verschiedenen Richtungen kommend, kamen sie zu demselben Schluss: Die Bourgeoisie kann die Probleme Russlands nicht lösen. Die Arbeiter müssen die Macht übernehmen.

Lenins letzter Kampf

Die bedauerliche Wahrheit für diejenigen, die diesen unbegründeten Mythos verbreiten, ist, dass Lenin am Ende seines Lebens ein Bündnis mit Trotzki in der bolschewistischen Partei einging, um dem wachsenden Einfluss der Bürokratie unter der Galionsfigur Stalin entgegenzuwirken.

Was Lenins erbitterten Kampf gegen Stalin bestimmte, waren nicht seine persönlichen Fehler, sondern die Rolle, die er bei der Einführung der Methoden und der Ideologie fremder sozialer Klassen und Schichten in eben jene Parteiführung spielte, die ein Bollwerk gegen diese Dinge hätte sein sollen.

In den letzten Monaten seines Lebens, geschwächt durch Krankheit, wandte sich Lenin immer häufiger an Trotzki, um Unterstützung in seinem Kampf gegen die Bürokratie und ihr Kreatur, Stalin, zu erhalten. In der Frage des Aussenhandelsmonopols, in der Frage Georgiens und schliesslich im Kampf um den Sturz Stalins aus der Führung schloss sich Lenin mit Trotzki zusammen, dem einzigen Mann in der Führung, dem er vertrauen konnte.

Während dieser gesamten letzten Periode seines Lebens brachte Lenin in zahlreichen Artikeln, Reden und vor allem in Briefen immer wieder seine Solidarität mit Trotzki zum Ausdruck. In allen wichtigen Fragen, die wir erwähnt haben, war es Trotzki, den er auswählte, um seinen Standpunkt in den Führungsgremien der Partei zu vertreten.

Es erübrigt sich zu sagen, dass alle Beweise für die Existenz dieses Blocks zwischen Lenin und Trotzki gegen die Stalin-Clique viele Jahre lang unter Verschluss gehalten wurden. Aber die Wahrheit wird ans Licht kommen.

Quellen

  • Bolshevism: The Road to Revolution ~Alan Woods
  • Lenin and Trotsky: What They Really Stood For ~Alan Woods & Ted Grant

War Lenin ein deutscher Agent?

Die absurde Behauptung, Lenin sei ein bezahlter Agent der deutschen Regierung gewesen, hat ihren Ursprung in den Verleumdungen der Gegner der Russischen Revolution von 1917. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde dieser Mythos wieder aufgegriffen, um den Anschein zu erwecken, dass die Bolschewiki nicht durch die Unterstützung der Massen, sondern durch geheimes Geld an die Macht gekommen sind.

Diese ungeheuerliche Lüge wurde vom zaristischen Geheimdienst erfunden, um die Bolschewiki zu diskreditieren, und später von Reaktionären wiederholt und verstärkt, um die Bolschewiki im Jahr 1917 zu verfolgen. In jüngster Zeit wurde sie von skrupellosen “Historikern” wie Dimitri Volkogonov wiederbelebt, die keinen Versuch unternehmen, ihren Hass auf Lenin, Trotzki und Revolutionäre im Allgemeinen zu verbergen.

In seinem Buch über Lenin kramt Volkogonov all die alten Lügen über Lenin als “deutschen Agenten” hervor, die schon vor langer Zeit beantwortet wurden. Neben den alten Verleumdern zitiert er auch einige neue, die sich bei näherer Betrachtung als blosse Wiederholer des alten Materials erweisen. Ein “russischer Historiker”, ein gewisser S.P. Melgunov, ist die erste Autorität, die Volkogonov zitiert. Er versichert dem Leser, dass man “den Schlüssel zum deutschen Gold in der Tasche von Parvus (Helphand) suchen muss, der gleichzeitig mit der sozialistischen Welt und dem deutschen Generalstab in Verbindung stand”, und dass “dies den ausserordentlich schnellen Erfolg der Propaganda Lenins erklären würde.” Wann wurde dieses verblüffend neue und originelle Material geschrieben? Im Jahr 1940, als es in einem Buch mit dem Titel The Bolsheviks’ German Golden Key erschien, das in Paris veröffentlicht wurde und Teil einer ziemlich umfangreichen Literatur war, die von russischen Exilanten herausgegeben wurde, allesamt fanatische Gegner des Bolschewismus, motiviert durch Bosheit, Hass und Rachegefühle. Von solchen Quellen kann man kaum eine wissenschaftliche Beurteilung dieses oder eines anderen Themas erwarten.

Doch schliesslich fügt Volkogonov hinzu: “Nun, da ich eine grosse Anzahl von bisher unzugänglichen Dokumenten untersucht habe…” Endlich können wir einen Blick auf diesen neuen und aufregenden Quellen werfen! Und was zeigen sie? Ob man es glaubt oder nicht, sie zeigen, dass das berühmte “Geheimnis der Revolution”, das so lange verborgen gehalten wurde, “noch lange nicht aufgeklärt ist”. Entweder wurden die “Geheimnisse” mündlich in einem kleinen Kreis von bolschewistischen Führern weitergegeben, oder die Beweise wurden vernichtet, und “Lenin wusste sehr wohl, wie man Geheimnisse hütet”.

Dieser lächerliche Mythos wurde um das Tausendfache vergrössert und bis ans Ende der Welt verbreitet. Volkogonovs Freunde in den Massenmedien verschwendeten keine Zeit, um allen zu versichern, dass sein Buch einen schlüssigen, auf völlig neue Quellen gestützten Beweis dafür enthalte, dass Lenin nur ein Agent des deutschen Staates gewesen sei. Dies könnte jedoch nicht weiter von der Realität entfernt sein.

Quellen

  • Bolshevism: The Road to Revolution ~Alan Woods

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